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Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
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können, rockertypische Erinnerungslücken.
    Am Beispiel der Hells Angels »Nomads«, dem vermeintlichen Elite-Charter der Gang, zeigt sich, was die großen Rockerclubs vor allem sind: mit Zwang zusammengehaltene Zweckgemeinschaften, darauf ausgerichtet, wenigen Männern entscheidende Vorteile zu verschaffen. An jenem Tag im Mai, als sich einer der Rocker mit einem Rivalen schlägt, stehen die Mitglieder der »Nomads« noch fest zusammen. Doch wer sich verweigert, aussteigt oder aus der Reihe tanzt, den trifft die volle Wucht der Hells-Angels-Selbstjustiz. Freiheit heißt in diesen Fällen nämlich nicht, dass ein Rocker machen kann, was er will.
    Michael B. muss womöglich sterben, weil er mit der Konkurrenz angebandelt hat. Holger Bossen soll umgelegt werden, weil er angeblich in die Mannschaftskasse griff. Beides macht ein Hells Angel nicht, wenn ihm sein Leben lieb ist, und falls er es doch tut, sollte er sich der Rückendeckung von oben sicher sein. Hält nämlich einer der Mächtigen seine Hand über den Delinquenten, dann gelten ganz andere Regeln, ja dann ist es sogar ein ganz anderes Spiel.
    Ein Boxer und ein Autonomer machen Karriere
    Dass im Berliner Rockermilieu auch in der Vergangenheit schon mit Waffengewalt um die Vorherrschaft gekämpft wurde, ist weithin unbekannt. Ein Blick in die Archive zeigt jedoch, dass bereits Mitte der achtziger Jahre eine Art Bandenkrieg aufflammte. Die wichtigsten Gangs hießen damals MC Dragons und MC Phoenix. Es wurde geprügelt und geschossen, nur durch Zufall gab es keine Toten. Irgendwann bekam die Polizei die Sache wieder in den Griff. In Berlin etablierte sich bald schon eine neue Macht: Mit Erlaubnis aus den USA durften die Phoenix-Rocker im Jahr 1990 ein Charter der Hells Angels gründen.
    Der Mauerfall am 9. November 1989 machte die Hauptstadt für Motorradclubs noch interessanter. Plötzlich gab es ein Umland, man konnte sich zurückziehen, wenn man eine Luftveränderung brauchte. Außerdem blieb man relativ unbehelligt, denn die Staatsmacht hatte in der Wendezeit mit Regierungs- und Vereinigungskriminalität alle Hände voll zu tun, vom Boom in den kriminellen Betätigungsfeldern Drogen, Waffen, Frauen ganz zu schweigen. Die Geschäfte liefen gut, und die Schattenwelt folgte ihrer eigenen Ordnung. Erst mit dem Beginn des neuen Millenniums begannen die Mühen der Berliner Rockerebene.
    Das Jahr 2000 ist für die Motorradgangs der Metropole ein Wendepunkt. Die Bandidos sind zu dieser Zeit in Berlin noch gar nicht vertreten, die Hells Angels nur mit einem Charter. Innerhalb dieser Truppe aber gärt es, es gibt eine Handvoll Männer, die ihre eigene Bande aufmachen wollen. Den Abtrünnigen gelingt es, einen besonderen Coup zu landen, indem sie in der Hauptstadt ein »Nomads«-Charter eröffnen. Der Name ist begehrt und umkämpft, denn in jedem Land der Welt, so wollen es die Regeln der Hells Angels, darf es nur einen Ableger mit dieser Bezeichnung geben.
    Auch die 1988 verbotenen Hamburger Hells Angels möchten zu diesem Zeitpunkt »Nomaden« werden, der Verein soll vor den Toren der Hansestadt entstehen. Doch am Ende ist es Holger Bossen, der nach zähen Verhandlungen und Grabenkämpfen den Zuschlag für seine Berliner Hells Angels bekommt. Am 31. Oktober 2000 eröffnet er die »Nomads« und sichert sich sein Revier: den Osten Berlins.
    Die Neumitglieder des Clubs rekrutieren sich vor allem in der Hooligan- und Türsteherszene der Plattenbaugebiete Marzahn und Hellersdorf. André Sommer ist so ein Rowdy, der sich schon zu DDR -Zeiten mit gegnerischen Fußballfans und der Polizei prügelte. Nach eigenen Angaben saß er deswegen auch im Gefängnis.
    Natürlich bleiben die Expansionsbestrebungen der Hells Angels bei der Konkurrenz nicht unbemerkt, weshalb sich die Bandidos anschicken, auf den Machtgewinn der Hells Angels zu reagieren. Sie entscheiden sich, die Berliner Dragons der internationalen »Bruderschaft« ihres Motorradclubs einzuverleiben.
    Damit ist zwar fürs Erste eine Art Gleichgewicht der Kräfte wiederhergestellt, doch das neue Machtgefüge ist labil und gerät durch den Auftritt der US -Banden allmählich aus den Fugen. Die Stillhalteabkommen der alten Westberliner Clubs gelten nicht mehr, ab sofort herrscht im Zweifel tödliche Konkurrenz in der Stadt – aus Rocker-Rivalen, die sich nicht riechen können, sind erbitterte Feinde geworden.
    Eine treibende Kraft bei dem Übertritt der Dragons, so erinnert sich ein Ermittler, ist Grischa Vowe. Er wird

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