Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Clubhaus. Ob das Treffen tatsächlich stattgefunden hat und welche Absprachen getroffen wurden, ist nicht bekannt. Ein weiterer Zeuge äußert in einer Polizeivernehmung: »Die ›Praetorianer‹ zahlen Schutzgeld an die Bandidos.«
Die »Praetorianer« sind ein Sicherheitsunternehmen in Weimar. Sie stehen unter anderem an der Tür der Diskothek »Locca«, in der Bandido Rafael H. bereits zweimal brutal sein Messer eingesetzt hat. Der »Praetorianer«-Geschäftsführer Tino R. verneint bei der Polizei, dass er Schutzgeld an die Rocker abgeben müsse.
Die Weimarer Bandidos schämen sich nicht für ihr Image. Im Gegenteil. Sie fürchten eher, dass es republikweit unbeachtet bleiben könnte. Nach Aussage eines späteren Kronzeugen fordert Janez E. von seinen Männern: »Wenn wir auf eine Clubparty in Bochum oder Berlin gehen, dann sollen die anderen Bandidos sagen: ›Guckt mal, da kommen die Verrückten aus Thüringen!‹«
Die Weimarer Rocker betreiben die mit Abstand aufwändigste Homepage der deutschen Bandidos-Chapter. Während des Intros wandert der mexikanische Bandit über den Bildschirm und schießt mit seinem Revolver die Buchstaben BANDIDOS in eine gelbe Fläche. In der Fotogalerie präsentieren Janez und »Memo« ihre zahlreichen Tattoos auf den nackten Oberkörpern. Auf allen Fotos formen die Bandidos mit Daumen, Zeiger- und Mittelfinger der rechten Hand eine Pistole. Nach Aussage eines Aussteigers, den SPIEGEL TV im Sommer 2008 interviewt, will die Bande ihren Gegnern damit demonstrieren, dass sie bewaffnet ist.
In der Fotogalerie finden sich auch Bilder einer Leipziger Einwanderertruppe. Die gewaltbereite Gang um den Armenier Artur T. besucht die thüringischen Rocker im Sommer 2008 auf deren Poolparty. Man umarmt sich, lächelt blutsbrüderlich in die Kamera. Ein paar Monate zuvor ist die Gruppe randalierend durch die Leipziger Innenstadt gezogen, nachdem sie von Türstehern mit Hells-Angels-Kontakten aus einer Disko geprügelt worden waren. Bei der Gewalttour durch Leipzig fällt vor der Kneipe »Mia’s« ein Schuss, ein unbeteiligter Russlanddeutscher stirbt. Der Täter ist bis heute nicht gefunden.
Die Macht des Präsidenten
Über 200 Jahre nachdem Friedrich Schiller den Tyrannen Dionysios in seiner »Bürgschaft« beschrieben hat, herrscht in Weimar ein Mann, der in seiner Brutalität und Rücksichtslosigkeit selbst einer Ballade entstammen könnte. Unter dem Bandidos-Boss Janez E. haben vor allem die Clubkameraden zu leiden und von denen am meisten die Neulinge – Anwärter und Unterstützer.
Innerhalb der Gang bestimmt Janez E., welche Gefolgsleute einzelne Ämter wie Kassenwart, Waffenmeister oder Vize-Präsident bekleiden dürfen. Das Regelwerk der Bandidos »Jena« verleiht ihm die Personalführungskompetenz offiziell. Punkt 12 der Weimarer Rocker-Verfassung lautet: »Der Präsident alleine entscheidet, welcher seiner Leute welches Amt ausübt.«
Als die Rocker im heißen Sommer ihr Clubhaus ausbauen, schachten die Novizen eine Grube für einen Swimmingpool aus. Janez E. räkelt sich derweil auf einer Liege und beaufsichtigt die schweißtreibenden Arbeiten. Ein Sonnengott mit einem Tattoo des barmherzigen Jesus auf der Brust – der bei Kleinigkeiten äußerst unbeherrscht sein kann. Als ihm einmal das von »Prospects« gekochte Mittagessen nicht schmeckt, wirft er es an die Wand und befiehlt brüllend dem Koch, die Reste aufzuwischen.
Von dem »Supporter« Kay-Oliver P. verlangt Janez E., dass dieser seine Freundin auf den Strich schicke. Als die Frau sich weigert, schlägt der Boss auf den Rocker ein. Janez E. übernimmt die Ausbildung der angehenden Hure jetzt selbst und schickt sie in ein Bordell nach Berlin. Für seine Mühen verlangt E. fortan monatlich 500 Euro von Kay-Oliver P., Studiengebühren nach Rockerart.
E. führt ein fürstliches Leben. Er fährt einen Mercedes-Geländewagen und wohnt in einem schmucken Haus in dem Dorf Pfiffelbach bei Weimar. Das Geld für seinen aufwendigen Lebensstil verdient seine Partnerin als Prostituierte. Er selbst ist offiziell arbeitslos.
Irgendwann möchte er für das gemietete Grundstück einen besseren Sichtschutz haben. Außerdem könnte die Fassade einen neuen Anstrich vertragen, denkt sich der Rockerboss.
Kurze Zeit später bricht der Bandidos-Anwärter Peter U. bei Farben Schultze in Weimar ein und klaut eimerweise weiße Farbe. Damit streicht er dann das Haus seines Präsidenten. Außerdem steigt der Nachwuchsrocker in den
Weitere Kostenlose Bücher