Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Globus-Baumarkt in Jena ein und erbeutet Zaunelemente. Die Beute bringt er in den Garten des Despoten und baut auf. Fertig ist der neue Sichtschutz zum Nulltarif.
Peter U. bleibt aber nicht der brave Vollstrecker für die Wünsche seines Bosses. Bald übernimmt er die Rolle des Verräters, der den Tyrannen im Hintergrund erledigt. Jedoch zückt er nicht den Dolch im Gewande, sondern wählt lieber die rechtsstaatliche Variante. Er begibt sich ins Zeugenschutzprogramm und sagt umfassend bei Polizei und Staatsanwaltschaft aus. Damit läutet er das Ende der Schreckensherrschaft von Janez E. ein.
Die Vorgeschichte dieses Seitenwechsels hat alle Zutaten einer griechischen Tragödie: die Liebe einer Frau zu zwei Männern, Eifersucht, eine alte Freundschaft, Verrat, einen Suizid und einen Despoten. Doch von vorne: Peter U. betreibt 2008 ein Internetcafé am Weimarer Bahnhof, es ist nicht seine einzige Geldquelle. »Von Hause aus bin ich Einbrecher«, sagt Peter U. später den Ermittlern. Äußerlich passt er nicht zu anderen Bandidos. Er pumpt seinen Körper nicht mit Hilfe von Anabolika auf und ist einen Kopf kleiner als der Rest der Rockertruppe. Auf Fotos wirkt er wie der schmächtige Steuermann zwischen Ruderathleten. Sein Freund Andreas F., auch ein »gelernter« Einbrecher, mischt ebenfalls bei den Weimarer Bandidos mit. F. ist fast zwei Meter groß.
Peter U. betrügt seine Freundin regelmäßig mit einer anderen Frau. Als er aber im Sommer 2008 schwer mit seinem Motorrad verunglückt und für längere Zeit außer Gefecht gesetzt ist, muss sich die Zweitfrau anderweitig behelfen. Also geht sie auch mit Andreas F. ins Bett, was wiederum Peter U. überhaupt nicht gefällt. Er fühlt sich von seinem Freund und Bandido-»Bruder« verraten.
Generell ist es in Motorradclubs strengstens verboten, eine sexuelle Beziehung zu der Gefährtin eines anderen Mitglieds zu unterhalten. Der Übeltäter wird üblicherweise im »bad standing« ausgeschlossen, jeder Bandido muss den Verstoßenen attackieren, wenn er ihn sieht.
Eifersüchtig auf seinen Freund, spricht Peter U. nun mit dem Diktator Janez E. über die Angelegenheit. U. will wissen, ob das Beischlafverbot auch für Zweitfreundinnen gilt. Darf Andreas eine Affäre mit Peters Affäre anfangen?
Diese komplizierte Frage ist im Regelwerk der Bandidos »Jena« nicht geklärt. Unter Punkt 3 heißt es lediglich: »Die Frau meines Bruders ist unantastbar.« Also ist Janez E. das Gesetz, und er verfügt: Auch Zweitfrauen sind tabu. Der Anführer leitet sogar interne Ermittlungen ein. Die Frau muss zu einer Vernehmung ins Clubheim kommen, wo sie den Beischlaf mit beiden Bandidos bestätigt. Die Vereinsführung ruft daraufhin Andreas F. an und zitiert ihn ebenfalls herbei. Doch F. erscheint nicht, er ahnt wohl das heraufziehende Unheil. Stattdessen stürzt sich der verängstigte Mann am 26. August 2008 von einem Eisenbahnviadukt. Eine Joggerin findet seine Leiche.
Jähzornig, wie er ist, macht Präsident Janez E. ausgerechnet Peter U. für den Suizid verantwortlich: »Der Andreas ist wegen deiner F**** von der Brücke gesprungen.« Für U. hat sich plötzlich der Wind um 180 Grad gedreht. Eben noch der gute Clubbruder, der auf die Einhaltung der Regeln pocht, jetzt der Bösewicht, der den Tod eines Kameraden verschuldet hat.
Gang-Despot Janez E. ist unberechenbar und wechselt oft radikal seinen Standpunkt. Eine geschickte Methode, um seine Macht zu erhalten. Die anderen Rocker wissen nie genau, ob sie etwas richtig oder falsch gemacht haben. So blicken die verunsicherten Untertanen stets devot auf zu ihrem Herrscher, der ihre Handlung absegnet oder missbilligt.
Nach dem Suizid droht Janez E. dem in Ungnade gefallenen Peter U.: »Dir passiert jetzt nur nichts, weil die Polizei und die Presse überall herumschnüffeln.« U. fühlt sich wie ein geschlagener Gladiator in der Manege. Er hat keinen Schimmer, was auf ihn zukommt. Kann sein, dass er begnadigt wird. Kann sein, dass er im »bad standing« aus dem Club fliegt und um sein Leben fürchten muss. Das Urteil des Präsidenten vorauszuahnen, ist kaum möglich.
Also befolgt Peter U. den Rat seiner Mutter und geht zur Polizei. Seine Aussage stützt ein Großverfahren gegen die Rocker vor dem Landgericht Gera. Im Juni 2010 verurteilen die Richter mehrere Bandidos wegen bandenmäßigen Diebstahls. Fast neun Jahre Haft bekommt der Haupttäter: Die Männer waren 2007 und 2008 auf Einbruchstourneen durch Thüringen und Bayern gegangen
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