Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
auf gut fünf Millionen Euro.
Im Mai 1990 hatte die Arbeitsgemeinschaft Justiz/Polizei der Innenministerkonferenz definiert, was in der wiedervereinigten Bundesrepublik als Organisiertes Verbrechen gelten soll. Die Gesetzeshüter formulierten es so:
Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig
a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder
c) unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.
Üblicherweise wird das auf diese Weise verdiente Geld, das aus Drogen-, Waffen- oder Menschenhandel, aus Erpressungen und der Ausbeutung von Prostituierten stammen kann, in den legalen Wirtschaftskreislauf geschleust, also gewaschen. Dazu dienen häufig Firmen von Strohmännern, die den Verbrechern Rechnungen für nicht erbrachte Leistungen ausstellen, so dass die wiederum mit den schmutzigen Barschaften beglichen werden können. Das Geld fließt dann – gegen eine Gebühr – wieder zurück an die Kriminellen. Beliebt sind bei Verbrechern auch Bars, Diskotheken, Spielhallen und Restaurants als Schleusen für ihr illegales Vermögen, weil sich in derlei Etablissements kaum überprüfen lässt, wie viel Geld an einem Abend tatsächlich verdient worden ist. Hier lassen sich auch aus Straftaten stammende Euro als erlaubte Einnahmen verbuchen und damit legalisieren.
Ein typisches Betätigungsfeld vieler Rocker ist das Rotlichtmilieu, wo sich körperliche Kraft, ungezügelten Machismo und ein archaisches Weltbild am ehesten in Bares verwandeln lassen. Die Hells Angels in Hannover, Frankfurt, Kiel, Hamburg und Berlin sind in den entsprechenden Vierteln dick im Geschäft. Insofern kann das im Folgenden beschriebene unternehmerische Gebaren einiger Höllenengel als beispielhaft gelten.
Wie aus einer Verbotsverfügung des Innenministeriums hervorgeht, lief die Sache damals in etwa so: Die Hells Angels in Schleswig-Holstein brachten über einen Clubkameraden im niederländischen Sittard, der dort ebenfalls ein Bordell betrieb, Ausländerinnen nach Kiel, ausgestattet mit falschen Pässen. Dann mussten die 50 Frauen im Laufhaus »Eros 2« anschaffen und an die Rocker jeweils satte 7500 Mark Miete im Monat für »ein kleines Einzelzimmer ohne Kochgelegenheit« abdrücken, wie die Beamten feststellten. Wehren konnten sich die Prostituierten kaum, sie waren ja Illegale – ein Fremdwort, das die Rocker wohl übersetzten in Rechtlose.
Im April 2003 verurteilte das Landgericht Kiel drei Männer, darunter den späteren Anführer der Kieler Hells Angels Dirk R., wegen des gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländerinnen in ein Bordell zu Freiheitsstrafen, die höchste lag bei zwei Jahren und sechs Monaten. Da man in Deutschland üblicherweise aber nur zwei Drittel seiner Haft im Gefängnis verbringt, war selbst der am härtesten bestrafte Rocker nach 20 Monaten wieder draußen.
In Frankfurt wiederum kamen die Rocker noch glimpflicher davon. Dort sollen zwei Hells Angels vom Charter »Westend« über Jahre rumänische Prostituierte ausgebeutet haben. Nach Erkenntnissen der Polizei »kauften« die Rocker die Frauen bei Vermittlern. Jene reisten daraufhin als Touristinnen nach Deutschland ein und mussten in einem FKK-Club anschaffen.
In dem Bordell durften sich die Frauen nur nackt bewegen, das Etablissement zu verlassen war lediglich mit Erlaubnis möglich. Um noch mehr Geld aus ihren Leibeigenen herauszupressen, ließen die Rocker sie tagtäglich Eintritt in ihr Gefängnis bezahlen und dort Kondome kaufen. Irgendwann mussten die Frauen fast ihre gesamten Einnahmen bei den Zuhältern abliefern. Sie waren die meiste Zeit eingesperrt, Sexsklavinnen, die nur zur Befriedigung männlicher Gier existierten: der der Freier nach Sex und der der Rocker nach Geld. Das Verfahren gegen die Hells Angels wurde später gegen eine Geldstrafe eingestellt, womit das »öffentliche Interesse an einer Strafverfolgung beseitigt« worden sei, wie es im Sprachgebrauch der Juristen hieß.
Allerdings – und auch das gehört zur Wahrheit – sind die Gangs nicht nur in krumme Sachen verwickelt, viele Mitglieder machen ganz legale Geschäfte. Die Fachleute des BKA
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