Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Schlachthof B & C. Tönnies Fleischwerk GmbH & Co. KG in Rheda-Wiedenbrück reinigt. Die Firma gehört Clemens Tönnies, der sich in seiner Freizeit für erstklassigen Fußball interessiert, ist er doch der mächtige Aufsichtsratsvorsitzende des FC Schalke 04.
Ihre Kontakte aus der Lebensmittelbranche nutzen die Chefrocker auch für andere Geschäftsfelder. So betreibt Hauses Ehefrau im münsterländischen Nottuln das Bordell »Lovefucktory«, das Sex »ohne Zeitbegrenzung für 99,99 Euro« anbietet. Doch trotz des Festpreises läuft der Laden 2008 nicht so recht. Selbst den knauserigsten Freier verlangt es nach Abwechslung, was in diesem Fall bedeutet: andere Frauen. Und das in Westfalen, wo man ansonsten Wert darauf legt, dass sich nichts verändert.
Auf dem Schlachthof hört Hause von einem polnischen Lkw-Fahrer, der in seiner Heimat junge Frauen anwerben könnte. Per SMS bekommt er die Handynummer des Frauenbeschaffers: »0163420xxxx marius der pole der das fleisch besorgen kann.«
Hause ruft sofort seine Frau an: »Der hat sehr viele Putzfrauen.«
Die Ehefrau: »Ja, ja, brauch ich dringend.«
Bochumer Ermittler hören mit, wie über die Konditionen gesprochen wird. Die Prostituierten sollen täglich 110 Euro bekommen. Ein Dumping-Lohn. Normalerweise verdienen die Frauen in der »Lovefucktory« 150 Euro am Tag.
Maczollek und Hause sind die Köpfe der deutschen Bandidos. Ihre Rockerkarrieren starteten sie bei den gelben Ghostridern in Gelsenkirchen, die später zu den Bandidos übertraten. Weil es in ihrer Heimatstadt Streit im Club gab, wechselten Maczollek und Hause ins Chapter nach Bochum.
Vor dem dortigen Vereinsheim an der Alten Wittener Straße stellt 2008 auch der Rocker Peter B., genannt »Bazi«, seine Harley ab. »Bazi« betreibt ein Bordell in Bochum und nutzt den Rockerclub, um seine lukrative Einnahmequelle zu schützen. Zehn bis elf Frauen mieten sich in dem Etablissement für 95 Euro pro Tag ein Zimmer. Macht täglich etwa 1000 Euro für den Betreiber, der in guten Monaten folglich 30000 Euro einnimmt.
2008 befürchtet der Rocker den Kontrollverlust im Bochumer Rotlichtmilieu. Es wabern Gerüchte durchs Viertel, Duisburger Zuhälter mit Hells-Angels-Kontakten wollten die Bordelle übernehmen. Angeblich wurde ein »Ercan« gesichtet, hinter dem der Hells Angel »Adem« stehe, berichtet »Bazi« im Clubhaus. Das Gemunkel ist ein Tagesordnungspunkt für die gesamte Gang, obwohl nur »Bazi« in der Gegend Geld verdient. Denn wenn sich in ihrem Territorium der Gegner festsetzen könnte, wäre der Imageschaden für das ganze Chapter immens.
Zur Gefahrenabwehr startet »Bazi« eine Spionageoffensive. Er weist die Prostituierten in seinem Bordell an, alle verdächtigen Personen mit dem Handy zu fotografieren. Tatsächlich bekommt er ein Bild von einem Kuttenträger aufs Smartphone geschickt, das er sofort an seinen Rocker-Vorgesetzten Hause weiterleitet. Den Schnappschuss werten die Bandidos gemeinsam aus: Fehlalarm – der Mann trägt eine normale Lederjacke mit modischen Aufnähern, keine Kutte der Hells Angels. Dennoch bleibt die Lage angespannt. Als »Bazi« nach Mallorca fliegt, befürchtet er in seiner Abwesenheit einen Angriff. Clubkamerad »Eschli« Elten – der Mann fürs ganz Grobe – bekommt den offiziellen Auftrag, die Interessen der Bochumer Bandidos zu verteidigen. Als Rocker hat man immer den Clan im Rücken, vor allem wenn es ums Geld geht.
Eine Gemeinschaftsleistung der Bandidos ist auch die Tattoo-Convention in Dortmund. Offiziell betreibt eine Firma namens »Wildcat Deutschland GmbH« die Leistungsshow der Studiokünstler. Doch ohne die rot-goldenen Rocker läuft bei dieser Veranstaltung nichts: Die Bandidos übernehmen den Sicherheitsdienst und kontrollieren den Verkauf der Eintrittskarten. Zudem bestimmen sie im Vorfeld, wie viel Ausstellungsfläche für die clubeigenen Studios reserviert wird.
2008 begleicht der Veranstalter auch die Rechnungen für hochrangige Rocker im Dortmunder Hilton-Hotel. Als ein Bandido vor der Halle eine Limousine mit Werbetafeln für ein Bordell platzieren möchte, fragt er nicht den Veranstalter um Erlaubnis, sondern klingelt bei Maczollek an – und der verfügt: Für 100 Euro in die Clubkasse darf das Reklame-Auto abgestellt werden.
Der Bandido Peter »Bazi« B. moderiert die Tattoo-Show – gegen 1500 Honorar. Dabei verzichtet er bewusst auf seine Bandidos-Kutte und trägt lediglich ein schlichtes rotes Hemd zur graumelierten Mähne. Auch
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