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Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Diehl , Thomas Heise , Claas Meyer-Heuer
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Inhaftierte aufrichten.
    Endlich wieder in voller Rockermontur, besteigt Michi M. in Landsberg am Lech seine Harley, die ihm seine Clubbrüder vor die Gefängnistür gefahren haben. Auch das gehört zum Service. In versetzten Zweierreihen rollen die schweren Motorräder dann zur Party ins Clubheim, wo ein Plakat »Welcome Home! Michi81« den verlorenen Sohn begrüßt.
    Doch nicht nur wenn ein Rocker aus dem Gefängnis entlassen wird, auch wenn er in den Knast hineingeht, macht die Gruppe daraus ein sinnstiftendes Ereignis. Im Januar 2010 muss ein Höllenengel seine Beugehaft in Kiel antreten, weil er in einem Gerichtsprozess die Zeugenaussage verweigert hat. Mit einem Autokonvoi aus elf schwarzen Luxuskarossen wollen seine Clubbrüder ihn zur Knastpforte begleiten. Doch die Polizei stoppt die »Machtdemonstration« der Hells Angels noch auf der Autobahn. Kiel-Verbot für die Rocker, diesmal keine hollywoodreife Abschiedszeremonie am Gefängnistor.
    Die Solidarität wird für die Clubs oft zu einem teuren Bilanzposten. Als die Bandidos Heino B. und Thomas K. den Hells Angel Robert K. in Ibbenbüren ermorden, übernimmt der Club die Anwaltskosten. In einem abgehörten Telefonat sagt Deutschlandchef Peter Maczollek zu Heinos Ehefrau: »Ich habe für beide zehn besorgt.« Damit sind 10000 Euro gemeint. Wo das Geld genau herkommt, wird jedoch nicht ganz klar. Auf jeden Fall unterhalten die Clubs sogenannte Knastkassen für juristische Sonderausgaben, in Bochum muss jeder Bandido monatlich zehn Euro einzahlen.
    Mit dem gesammelten Geld können den Inhaftierten kleine Annehmlichkeiten finanziert werden. So verfügt der gelernte Dachdecker Heino B. im Gefängnis über ein eingeschmuggeltes Handy und kann per SMS DVD s und Zigaretten bei seinen Rockerfreunden bestellen. Durch das Telefon bleibt er auch nah dran am Clubgeschehen. Im November 2008 erreicht den Inhaftierten eine SMS von Peter Maczollek, die die Kripo Bochum mitliest: »Viele Grüße aus dem Partybus mein Freund von den Banditen Les Batzen Glatze Kim Marcel und Peter. Sind auf dem Weg nach Cottbus und denken an dich Bruder.« Wie man sieht, ist die Unterstützung der Gefangenen eine Sache für die Chefetage. Aus den abgefangenen Nachrichten schließen die Fahnder zudem, dass der Club auch Heino B.s Ehefrau in Bremen finanziell unterstützt.
    Einzelne Rocker werden sogar unvorsichtig und verletzten die konspirativen Gebote, wenn sie sich für inhaftierte Kollegen einsetzen. So schreibt der Dortmunder Bandido Jürgen L. im Dezember 2007 einen Brief an den damaligen Untersuchungshäftling Heino B., in dem er detailliert eine Schlägerei zwischen Bandidos und Hells Angels in Münster schildert – hier in der Original-Orthografie wiedergegeben: »Unsere Leute ca. 20 haben 13 Angler maltretiert. (Frankfurt/Singen) Die Autoscheiben der Anglerautos eingeschlagen und die Leute rausgeholt. Einige optische Mutanten sind dann zur freude unserer Leute gelaufen wie die Hasen und haben ihre Brüder ihrem Schicksal überlassen.«
    Das Schreiben wurde jedoch von den Justizbehörden abgefangen und der Polizei übergeben. Die war positiv überrascht, denn solches Detailwissen besaßen die Ermittler über die Schlägerei in Münster bisher nicht. Die Bandidos degradieren den Dortmunder Jürgen L. daraufhin für so viel Dummheit für sechs Monate zum Clubanwärter. Eigentlich wollte er nur Gutes tun, jetzt fehlen seiner Kutte die wichtigsten Abzeichen. Der Rocker musste lernen: Die Gefangenenfürsorge hat zwar hohe Priorität, sollte aber nicht die Polizeiakten anschwellen lassen.
    Neid und Missgunst
    »Don’t ride in front of me, I may not follow.
Don’t ride behind me, I may not lead.
Just ride beside me, and be my brother.«
    Der von dem Philosophen Albert Camus abgekupferte Dreizeiler ist das weltweit propagierte Motto des Bandidos MC . Es ist die romantisch aufgeladene Vision einer klassenlosen Bruderschaft, in der es kein Unten und kein Oben, kein Vorne und kein Hinten gibt. Nur ein Nebeneinander, bei dem die Männer stets auf Augenhöhe sind. Biker-Kommunismus, made in Texas.
    In der Öffentlichkeit präsentiert sich ein Rockerclub dann auch als eine homogene Schicksalsgemeinschaft. Eine vibrierende Harley-Kavallerie mit einheitlichen Soldaten, in der sogar die Offiziere von ihren Eisenrössern steigen, um die rangniedrigsten Rekruten demonstrativ in den Arm zu nehmen. Eine Bruderschaft aus Alphatieren, elitär und egalitär wie eine militärische Spezialeinheit. Doch dabei

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