Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Sie berichtete von den Klau-Touren ihres Ex. Außerdem habe der sie genötigt und ihr mit der »Rache der Bandidos« gedroht. Die Beamten fühlten sich wie ein griechischer Staatssekretär: wenig Arbeit, viel Lohn.
In Martin F.s Wohnung finden die Polizisten dann einen Berg Diebesgut und einen Revolver Magnum, Kaliber .357. Bei der Befragung auf dem Revier gibt F. zu, die Knarre auf einer Rockerparty in Herne gekauft zu haben. Mehr will er »aus persönlichen Gründen« nicht sagen. Als das Protokoll unterschrieben ist, plaudern der Einbrecher und der Kriminalhauptkommissar noch etwas ungezwungener weiter, »Quatschi-Quatschi-Machen« heißt das in Polizeikreisen.
Jetzt offenbart der nicht sehr clevere Kleinkriminelle tatsächlich, er habe den Revolver bei der Party von einem Bandido mit dem Spitznamen »Batschi« oder »Bazi« für 800 Euro gekauft. Es sei das Sommerfest auf dem Firmengelände vom »Benno« in Herne gewesen, und viele Gäste hätten ordentlich Kokain konsumiert. »Bazi« ist jedem Rockerermittler im Ruhrgebiet ein Begriff, denn hinter dem Spitznamen verbirgt sich der Bandido Peter B. Allerdings wird der wegen der Waffengeschichte nie belangt.
Und das kommt so: Eigentlich hätten sich die Beamten sofort einen Durchsuchungsbeschluss für »Bazis« Wohnung und »Bennos« Firmengelände beantragen müssen. Doch sie zögern, was nicht ihr einziger Fehler sein wird. Schon bald folgt nämlich der Auftritt des Polizeioberkommissars und Rockerkumpels Heinz B. aus Recklinghausen.
Doch zuerst zum Firmengelände in Herne, wo der tumbe Einbrecher Martin F. den Revolver gekauft haben will: Das dreieckige Areal ist wie geschaffen für lichtempfindliche Geschäfte. An allen Seiten erheben sich Bahndämme und verhindern jeden neugierigen Blick auf den Hof. Eine Kamera überwacht die einzige Zufahrt.
Inhaber »Benno« ist Bandidos-Anwärter und heißt eigentlich Bernd R. Er hat schon im Gefängnis gesessen – zwei Jahre und sechs Monate wegen eines bewaffneten Raubüberfalls. Dazu noch Drogenhandel und Eigentumsdelikte, also unterer Rocker-Durchschnitt. 2007 betreibt der damals 40-Jährige auf dem versteckten Platz eine kleine Baufirma, und anscheinend nicht nur die.
Der zweite Einbrecher und Komplize von Martin F., Tim M., sagt aus, dass er bei »Benno« Diebesgut gegen Kokain oder Geld getauscht habe. Abgehörte Telefonate erhärten den Verdacht, dass »Benno« Dinge vertickt, für die er besser keine Rechnung ausstellt. Der Clubbruder Armin G. ruft beispielsweise an und fragt nach einem iPhone. Doch »Benno« muss ihn enttäuschen, momentan nicht im Sortiment.
Der lange Zeit untergetauchte Tim M. offenbart sich erst Ende Februar 2008 den Ermittlern, vier Monate nach seinem Mittäter. Zuvor hat die Polizei noch versucht, den Einbrecher im Haus seiner Eltern festzunehmen, aber der Einsatz misslingt. Der Gesuchte klettert aufs Dach, springt in den Garten und verschwindet. Die Beamten müssen sich ohne Verhaftung zurückziehen, lösen aber umgehend eine Großfahndung aus.
Alle Wachen im Ruhrgebiet werden alarmiert. Auch Oberkommissar Heinz B. liest die Suchmeldung und ruft umgehend seinen Bandidos-Spezi »Peitsche« an. Der Polizist übermittelt, dass nach dem Einbrecher Tim M. wegen der Aussage von Martin F.s Exfeundin gefahndet werde: Es gehe um die Rache der Bandidos, einen »Benno« und ein Gelände. Der Beamte bittet den Rocker, der Zeugin nichts anzutun. Das sei schlecht für ihr bisher gutes Verhältnis – offenbar weiß B., wie brisant seine Informationen sein können.
Die Nachrichten aus der Behörde sorgen für einen Großalarm der Gang. Peter »Peitsche« E. startet eine Telefonkette. Ob die Bandidos Drogen, Waffen und Hehlerware von »Bennos« Firmengelände wegschaffen, ist unklar. Am Ende des Tages scheint sich jedoch die aufgeraute Rockerseele wieder beruhigt zu haben. So klingt es zumindest am Telefon. Möglicherweise fürchten die Bandidos keine Razzia, weil die Aussagen schon vier Monate alt sind.
Die Bandenmitglieder glauben auch nicht, dass der immer noch flüchtige Tim M. gegen sie auspacken wird. Welcher Kleinganove sagt schon gegen die Bandidos aus? Eine Fehleinschätzung. Zwei Wochen später belastet der Einbrecher den Hehler »Benno« ziemlich detailliert. Dennoch unterlässt es die Polizei erneut, das Firmengelände auf den Kopf zu stellen. So kann im April 2008 der hochrangige Bandidos-Offizier Armin G. – der iPhone-Interessent – in aller Ruhe am Telefon mitteilen, dass jetzt
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