Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Hooligan-Beamte mit den kurzgeschorenen Haaren trinkt eine Cola. Am Nebentisch sitzt die Bochumer Kripo und lauscht. Henning F. und »Bazi« reden über den Schalker Fußballspieler Kevin Kuranyi und über die Arbeit in der JVA . Die Ermittler schnappen nur Gesprächsfetzen auf. Wegen »der ständig laufenden Hintergrundmusik«, wie sie in ihrem Bericht später schreiben. Dafür machen sie ein Video mit einer versteckten Kamera.
Gegen 21.45 Uhr beenden der JVA -Beamte und der Rocker ihr Sonntagsgespräch, vielleicht wollen die Männer nicht zu viel von »Anne Will« verpassen. Bevor »Bazi« geht, legt er eine gelbe Plastiktüte auf seinen Stuhl. Henning F. greift danach und legt sie sich über die Schulter. Inhalt und Verbleib der Tüte: ungeklärt.
Korruption und Kumpanei
Die ungebührliche Nähe zwischen Beamten und Rockern ist leider nicht so selten, wie man eigentlich vermuten möchte. Vielmehr handelt es sich um ein generelles Problem, mit dem sich Ermittler immer wieder konfrontiert sehen. Im Grunde genommen gibt es zwei Motive für Staatsdiener, den Motorradgangs zuzuarbeiten. Entweder sie bekommen dafür Geld, oder sie hegen eine unprofessionelle Sympathie für die Banden.
Als der Bandido Peter »Bazi« B. im Frühjahr 2008 in Dortmund mit einem BMW X 5 geblitzt wird, ruft er wenig später eine Bekannte im Ordnungsamt der Stadt Bochum an. Die freundliche Beamtin erklärt dem Rocker sodann sehr genau, wie er sich zu verhalten habe, damit er von ihren Kollegen nicht als Fahrer ermittelt werden könne. Am Ende gibt sie sogar noch einmal Entwarnung: Die Sache würde jetzt »kaputtgeschrieben«, er solle aber noch einige Zeit vorsichtig sein. Der Bandido, so notieren es die mithörenden Polizisten, wollte der dienstbaren Dame zum Dank »etwas geben«.
Ahmet K., 24, wiederum arbeitet bei der 13. Einsatzhundertschaft der Berliner Polizei, doch zu seinen Freunden aus dem Wedding zählt auch der Hells Angel Muzaffer A., 24. Sie kennen sich schon lange, sie kennen sich gut, weshalb Ahmet sich seinem »Bruder« verpflichtet fühlt: »Vielleicht komme ich heute Abend mit meinen Freunden vorbei«, warnt der Polizeimeister per SMS vor einer Razzia, was den Rocker wohl sehr erleichtert. Später wird der Beamte wegen Geheimnisverrats zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Kleine Gefälligkeiten für schwere Jungs: Den Einheiten der Bereitschaftspolizei und den Spezialeinsatzkommandos ( SEK ) misstrauen Kriminalpolizisten besonders, wenn Einsätze gegen Rocker »gefahren« werden sollen, wie es im Jargon heißt. »Es gibt dort den ein oder anderen Kollegen, der durchaus gute Kontakte zur Szene hat«, so ein hochrangiger LKA -Ermittler. Vor allem bei Kraft- und Kampfsport kämen sich Gangmitglieder und manche Beamte zuweilen näher. Viele teilten zudem eine ähnliche Lebenseinstellung, die geprägt sei von draufgängerischem Abenteurertum, von Männerbünden und Korpsgeist. »Da kommt es schon einmal zu falschen Freundschaften«, sagt der Kriminalist.
Als Bochumer Ermittler etwa im November 2008 die Wohnung des ehemaligen Bandidos-Anwärters Hans-Jürgen K., damals 53, durchsuchen, macht der gleich auf dicke Hose. Laut einem Vermerk der eingesetzten Beamten »brüstet sich K. damit, dass er beste Beziehungen zum SEK Dortmund unterhalte«.
Später zeigt er den Kriminalisten sogar noch einen privaten Darlehensvertrag, den er mit dem Polizisten Michael K., damals 48, geschlossen hat – über 20000 Euro. Der gehöre auch zum Spezialeinsatzkommando der Dortmunder Polizei und sei dort seit 30 Jahren sein bester Kumpel, tönt Hans-Jürgen K., der zu diesem Zeitpunkt bereits wegen Betrugs, Diebstahls und Geldwäsche aufgefallen ist.
Besonders brisant an der seltsamen Beziehung ist zudem, dass just zu der Zeit, als die Polizei einen großen Lauschangriff gegen die Bochumer Bandidos unternimmt, Hans-Jürgen K. dort Rocker auf Probe ist. Und sein Polizei-Spezi Michael K. wiederum betreut damals immer wieder die Wanzen, die im Clubheim der Rocker angebracht worden sind. Der aufwändige Einsatz erweist sich übrigens letztlich als Schlag ins Wasser, die Rocker können bei keinen schwerwiegenden Straftaten erwischt werden.
Als Kasseler Polizisten 2004 das Geschäft und die Bleibe des dortigen Hells-Angels-Anführers Michael S., 46, durchsuchen, staunen sie nicht schlecht. Der Rocker hortet mehrere vertrauliche Dokumente (» VS – Nur für den Dienstgebrauch«) des sächsischen Landeskriminalamts. Titel der Ausarbeitung:
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