Rockerkrieg: Warum Hells Angels und Bandidos immer gefährlicher werden - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
»groß Schönreinemachen« angesagt sei. Möglichweise sollen nun die letzten Hinweise auf Waffen, Drogen und Hehlerware verschwinden.
Die angebliche Kokain-Laptop-Tauschbörse in Herne findet dann auch ein schnelles juristisches Ende. Das Verfahren gegen Bernd »Benno« R. wird gegen eine Geldzahlung eingestellt, die Staatsanwaltschaft stimmt notgedrungen zu. Eine Hehlerei hinterm Bahndamm hätte sie wahrscheinlich nicht beweisen können. Denn beide Einbrecher haben inzwischen sämtliche Vorwürfe gegen die Rocker zurückgezogen.
Zuvor hatte Peter »Peitsche« E. wohl Tim M. besucht. So zumindest lassen sich Gespräche deuten, die die Polizei im Bochumer Bandidos-Clubheim abhört. Und der Rocker scheint die richtigen Worte gefunden zu haben: Der Einbrecher M. kann sich anschließend an nichts mehr erinnern. Anscheinend verfügen die Bandidos über Argumente, denen man sich kaum verschließen kann.
Auch der Polizist Heinz B. bleibt ein anständiger Bürger und Staatsdiener. Das Amtsgericht Recklinghausen spricht ihn frei. Verhandelt wurde dort sogar nur die Unterschlagung der schusssicheren Weste. Die Weitergabe von Dienstgeheimnissen ist gar nicht erst angeklagt worden. Der Grund: Die Beweise aus den abgehörten Gesprächen hätten vor Gericht nicht gezählt, nur bei sogenannten Katalogstraftaten wie Mord, Geldwäsche oder Erpressung dürfen Richter den Telefonjoker ziehen. Illoyale Polizisten, die der Gegenseite zuarbeiten, sind für die Strafprozessordnung hingegen ziemlich kleine Fische. Also ist statt Strafe Vergeben und Vergessen angesagt.
Hooligan, Rockerkumpel, Beamter
Magdeburg im Januar ist kein Ort für große Träume. Dennoch steuert eine Touristengruppe aus Gelsenkirchen im Winter 2008 auf die Stadt an der Elbe zu. Die jungen Männer im Bus passen mit ihren Stiernacken und Schwimmerkreuzen kaum in die Sitze. Hier singt und säuft die »Gelsen-Szene«, eine rollende Prügelhorde, die sich seit Jahrzehnten im Umfeld von Schalke-Spielen boxt.
Mit an Bord sind auch der Bandido »Eschli« Elten und der Justizbeamte Henning F. Letzterer passt beruflich auf die Insassen der Justizvollzugsanstalt Bochum auf, auch wenn er sich privat kaum anders als ein Knacki verhält.
In Sachsen-Anhalt schlagen sich die Ruhrgebietsvandalen mit ostdeutschen Hooligans – vor und während eines Freundschaftsspiels zwischen dem örtlichen Fußballverein und dem FC Schalke 04. Der Kick auf dem Rasen steht übrigens unter dem Motto »Gib Gas gegen Gewalt«. Nach der Rückkehr ins kalte Nordrhein-Westfalen herrscht reger Handyverkehr, wie aus Dokumenten der Polizei hervorgeht. Die Rowdys sind sich in der Beurteilung ihres Adrenalin-Ausflugs einig: »Einfach geil.«
Wer gemeinsam Rippenbrüche erleidet oder verursacht, Zähne ausschlägt oder verliert, der hält auch in Friedenszeiten zusammen, so auch der Rocker »Eschli« Elten und der Beamte Henning F. Anfang Januar 2008 ruft der Schließer seinen Nahkampfkumpel »Eschli« an und teilt mit, dass er bald wieder auf der Station 13/14 in der JVA Bochum arbeiten werde. Für den Bandido ist diese Information so wichtig, dass er sie sofort an seinen Rocker-Vorgesetzten Peter Maczollek weiterleitet. Doch warum interessieren sich die Bandidos für den Dienstplan im Gefängnis?
Ganz einfach: Anfang 2008 sitzt dort der Untersuchungshäftling Thomas »Addi« K. ein. Er hat zusammen mit Heino B. den Hells Angel Robert K. ermordet, gegen die beiden wird zu diesem Zeitpunkt vor dem Landgericht Münster verhandelt. Der Justizbeamte Henning F. soll dem Häftling verbotenerweise eine Tüte mit Bandidos-Klamotten übergeben. Die will Thomas K. während des Prozesses tragen.
Die T-Shirts und Pullover sind als seelische Stütze gedacht: »Wir kümmern uns. Du bist weiterhin ein Teil von uns«, lautet die Botschaft aus dem Clubhaus, die Fürsorge und Gefahrenprävention zugleich ist. Nichts fürchten die Rockergangs mehr als ein inhaftiertes Mitglied, das die bürgerliche Gesellschaft als bessere Solidargemeinschaft neu entdeckt und bei der Polizei auspackt.
Doch zur Übergabe der Tüte kommt es in Bochum nicht. Staatsdiener Henning F. schickt am 13. Januar 2008 eine SMS an »Eschli« Elten: »Dein Bandido-Kumpel ist nach Dortmund verlegt worden.« Im Laufe des Jahres 2008 telefoniert der Beamte mit weiteren Rockern, die genauen Hintergründe bleiben unklar.
Am 16. November 2008 trifft sich der Schließer mit dem Bandido Peter »Bazi« B. in einem Bochumer Café. Der kräftige
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