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Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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unterirdische Wasseradern. Doch trotz des Mangels an äußerlichen Reizen spielte Amy eine gewichtige Rolle in unseren Phantasien. Das Wissen, daß wir nur Geld und eine gehörige Portion Mut brauchten, um Amys Wohltaten zu empfangen, wirkte wie ein Aphrodisiakum, das jemand in die örtliche Wasserversorgung eingespeist hatte.
    Amy sah belustigt aus, als Pete und Al auf sie zukamen. Al hatte das Tonbandgerät in seiner Schultasche versteckt. Er hatte ein neues Band eingelegt und das Gerät auf Aufnahme gestellt, bevor sie zum Spielplatz gingen (die Tonqualität läßt zu wünschen übrig, aber man versteht, was gesagt wurde).
Al: Wir würden gern mit Ihnen sprechen. Amy: Wie alt seid ihr denn? Al: Fünfzehn. Amy: Ihr dürft wiederkommen, wenn ihr sechzehn seid. Pete: Über Lucy Asher. Amy: Wer? Pete: Das Mädchen, das ermordet worden ist. Amy: Wartet mal. An dieser Stelle findet sich in der Transkription eine Notiz, daß Amy wegging, um eine Rangelei zwischen ihren Jungs und einem anderen Kind zu unterbinden. Auf dem Band hört man gedämpftes Geschrei und entferntes Weinen. Jake und Zach waren vier, aber ziemlich groß für ihr Alter. Sie dominierten jeden Spielplatz, wie kleine Mafia-Vollstrecker. Seit sie gehen konnten, hatten sie doppelt so alte Kinder geschubst, erpreßt und verprügelt. Sie schmissen anderen Kindern Sand und Rindenstücke ins Gesicht und, wenn es sein mußte, deren Müttern ebenfalls. Sie bissen wie Pitbulls. Mädchen wie Jungen lebten in Angst und Schrecken vor den Trousedale-Zwillingen – gewalttätige Rabauken der eine wie der andere. Wenn sie gerade keine anderen Kinder verprügelten, dann droschen sie aufeinander ein. Inzwischen haben fast alle von uns selbst Kinder, und wenn wir zurückschauen, begreifen wir, daß die beiden Amy das Leben zur Hölle gemacht haben müssen. Amy: Also, was wolltet ihr noch? Al: Wir dachten, Sie haben vielleicht ein paar Informationen für uns. Amy: Ich hab sie nicht gekannt. Al: [unverständlich] jünger. Amy: Sie war keine Freundin von mir oder so was. Pete: Sie ist vergewaltigt worden. Amy: So? Pete: Wir dachten, vielleicht wissen Sie was. Pete zufolge stand sie einfach auf und ging weg. Später sagte er, er habe gespürt, daß sie Amy beleidigt hatten, aber er wußte nicht, wodurch. Auf dem Band hört man sie im Hintergrund ihren Jungs etwas zurufen. Die Worte »... du bringst ihm noch einen Hirnschaden bei« sind über dem Bandrauschen deutlich zu verstehen. Pete und Al verließen den Park, als die Zwillinge damit anfingen, Kiefernzapfen die Rutsche herunterrollen zu lassen, was sich wie eine herangaloppierende Büffelherde anhörte.
    Als sie die Straße erreicht hatten, griff Al in seine Schultasche und stellte das Tonbandgerät ab. Er sagte uns, er habe sich in dem Moment umgedreht, Amy stand neben der Schaukel und schaute in ihre Richtung. »Sie sah müde und traurig aus. Irgendwie tat sie mir leid.«
    Doch so schnell warfen wir nicht die Flinte ins Korn. Wir überlegten uns, daß Amy natürlich nicht einfach die Namen und Adressen ihrer Kunden weitergeben würde. Wie bei Anwälten gab es da sicher so etwas wie eine Schweigepflicht »oder wie Ärzte mit ihrem Eid des Hypokrites«, formulierte Mark Murray. (Der »Eid des Hypokrites« wird auch heute noch gelegentlich ins Spiel gebracht, wenn Mark ein wenig großspurig wird.) Wir überwachten Amys Haus. Es war nur ein kleines eingeschossiges Steinhaus, das sie gemietet hatte. Nebenan war ein unbebautes Grundstück, also lockerten wir Bretter im Zaun und erweiterten Astlöcher und saßen nach der Schule in Schichten auf unserem Beobachtungsposten im hohen, trockenen Gras. Ihre Kunden kamen längst nicht so regelmäßig, wie wir erwartet hatten. In den ersten drei Tagen kam überhaupt nur ein Mann, der ein Freier hätte sein können. Er kam abends um halb zehn, um eine Zeit, als wir eigentlich schon gehen wollten. Er parkte ein Stück weit weg an der Straße und ging zu Fuß zum Haus. Er näherte sich so leise, daß wir ihn fast verpaßt hätten. Er klopfte vorsichtig und verschwand im Inneren. Die Jalousien waren schon heruntergelassen, und wir konnten nichts sehen.
    Eine Stunde später ging er wieder, und obwohl wir sein Gesicht ziemlich klar sehen konnten, erkannte ihn keiner von uns. Er sah überraschend normal aus. Für alle Fälle notierten wir Marke und Kennzeichen seines Autos. Aber wir sahen ihn nie wieder. Als er weg war, kam Amy im Morgenrock aus dem Haus. Sie hatte nasse Haare, als hätte sie

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