Rocking Horse Road (German Edition)
hätte es entgegen jeder Wahrscheinlichkeit geschafft und eine von Lucys Puppen, vielleicht sogar ihr Liebling aus einer glücklichen Zeit in ihrer Kindheit, hätte sämtliche Gefahren umschifft: die hohen Wellen, die Strömung zu den Klippen hin, die Bugwellen vorbeifahrender Tanker. Es ist schön, sich vorzustellen, wie eine von ihnen wochenlang, vielleicht gar Monate oder Jahre, über den Ozean segelt, auf diesem kleinen, aber widerstandsfähigen Schiff, das Mr. Asher mit viel Liebe in seiner Garage gebaut hat.
»Aber was soll das?«, fragte Grant Webb an dem Tag, als Pete Marshall das Floß fand. Er drehte es um und betrachtete die Unterseite. »Warum macht er diese Dinger?«
Niemand machte sich die Mühe, es ihm zu erklären. Das verstand man auf den ersten Blick – oder nie.
Wir betrachteten Mr. Asher nicht mehr als Verdächtigen, deshalb war es purer Zufall, daß wir rausfanden, wohin er jeden Tag fuhr. Mrs. Murray nahm Mark an einem Samstagmorgen zum Einkaufen mit. Er sollte ihr beim Tragen helfen, was aber nur ein Vorwand war. In Wahrheit handelte es sich um einen jener Versuche unserer Mütter, mehr Zeit mit uns zu verbringen. Es gab da eine Phase, in der sie uns baten, ihnen bei irgendwelchen Sachen im Haushalt zu helfen oder mit ihnen irgendwohin zu fahren. Nur um mit uns allein zu sein. »Wie geht es dir denn eigentlich?«, fragten sie dann, wenn sie den Augenblick für gekommen hielten. Sie wollten unbedingt zu der früheren Vertrautheit zwischen uns und ihnen zurückkehren. Sie erinnerten sich offenbar sehr genau an die Zeiten, als sie unsere ganze Welt waren und wir ihnen von jedem Kratzer oder jedem bunten Stein am Wegrand erzählt hatten. Selbst mit elf waren die meisten von uns noch bereit und willens, unseren Müttern einen Gutenachtkuß zu geben. Ein paar Jahre später rissen wir schlechte Witze über sie. Da hatten wir ihnen nichts mehr zu sagen. In dieser Zeit waren wir ihnen gegenüber verschlossener als jede Auster.
Der Supermarkt, in den Marks Mutter fuhr, lag neben dem Empire Hotel. Das Empire Hotel war und ist ein massiver zweistöckiger Kasten, unten Pub und Restaurant, oben billige Hotelzimmer. Im Pub tranken unsere Väter freitags nach der Arbeit ihr Bier. Danach kamen sie zu einem späten Abendessen nach Hause. Sie rochen nach Bier und gaben unseren verärgerten Mütter vor unseren Augen einen Klaps hintendrauf.
Als er die Einkäufe seiner Mutter in den Kofferraum lud, entdeckte Mark den Pickup von Mr. Asher. Er stand auf dem Parkplatz des Empire Hotels, aber ganz hinten am Zaun, wo man ihn normalerweise von der Straße aus nicht sehen konnte, weil andere Autos davor standen. Doch vom Parkplatz des Supermarkts hatte Mark freie Sicht: Es war noch früh am Morgen (Marks Mutter wollte immer vor dem großen Ansturm fertig sein), und Mr. Ashers Auto war eines von ganz wenigen, die dort parkten. Mark beschloß, der Sache nachzugehen.
Montag morgen machten sich Mark und Jase Harbidge wie gewohnt mit dem Fahrrad auf den Weg zur Schule. Doch schon bald verließen sie ihren Schulweg und fuhren eine halbe Stunde nach Norden zum Empire. Jase berichtete, daß sie dort warteten. Um halb zehn fuhr dann Mr. Asher in seinem Pickup auf den Parkplatz. Er stellte ihn an genau derselben Stelle ab, wo Mark ihn am Samstag entdeckt hatte. Sie beobachteten, wie Mr. Asher bewegungslos hinter dem Steuer sitzen blieb und vor sich hin starrte, bis der Geschäftsführer des Empire die Tür aufschloß. Da stieg er aus und betrat das Hotel.
Mark und Jase konnten durch eines der großen Schiebefenster in die Bar sehen. Sie kauerten sich zusammen und beobachteten, wie Mr. Asher an einem Tisch in der entferntesten Ecke Platz nahm. Er ging zur Bar und holte sich einen Drink, der aus einer Flasche vom obersten Regalbrett eingegossen wurde. Bis elf Uhr war sonst niemand in der Bar, dann kamen ein paar traurige alte Alkoholiker. Zur Mittagessenszeit kam eine Gruppe von Büroangestellten, doch sie setzten sich in den anderen Raum mit dem Schild Restaurant über der Tür.
Mark und Jase kampierten auf der anderen Straßenseite unter der Markise eines Steinladens. Im Schaufenster wurden Quarzkristalle angeboten, zwei Stück für drei Dollar. Mark zufolge behielten sie das Empire ständig im Auge, falls Mr. Asher plötzlich herauskäme. Von Zeit zu Zeit ging einer von ihnen über die Straße und schaute durchs Fenster. »Aber das war völlig unnötig. Mr. Asher verließ seinen Platz nur, um sich einen neuen Drink zu
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