Rocking Horse Road (German Edition)
holen.« Sie meinten, er habe sich nicht mal im Raum umgesehen.
Am frühen Nachmittag wurde ihnen langweilig, und sie gingen in den Steinladen, wo sie sich schachtelweise Kristalle und polierte Steine ansahen. Sie waren die einzigen Kunden. Mark bat die Verkäuferin, eine Vitrine aufzuschließen, und sie nahm einen versteinerten Haizahn heraus, der so groß war wie seine Hand. Als die Verkäuferin merkte, daß sie nichts kaufen würden, verlor sie ihre professionelle Freundlichkeit und forderte sie auf, den Laden zu verlassen. So saßen sie denn wieder auf dem Gehweg und starrten auf das Empire.
Um 16:30 Uhr verließ Mr. Asher endlich die Bar. Außer einem leicht wackeligen Gang gab es keinerlei Anzeichen, daß Mr. Asher getrunken hatte. »Dabei muß er total breit gewesen sein«, stellte Jase fest (und wegen seines Vaters mußte Jase wissen, wovon er sprach). Mark und Jase beobachteten noch, wie Mr. Asher in seinen Pickup stieg und in Richtung The Spit davonfuhr.
Für die meisten Männer von New Brighton waren die Organisatoren der Anti-Tour-Demonstration nur ein paar Stänkerer. Unsere Väter und ihre Freunde hatten eine tiefverwurzelte Abneigung gegen jede Art von organisiertem Protest. Reden und Aufmärsche waren ihnen prinzipiell zuwider. Für sie waren das alles nur Unruhestifter. Tug Gardiners Vater sagte über einen Teller mit Lammkoteletts und Kartoffelpüree hinweg, das seien doch nur »kommunistische Kampflesben. Was bringt das denn, wenn so ein paar Linke die Marine Parade runtermarschieren? Damit ändern sie doch überhaupt nichts daran, was in Südafrika passiert. Sie machen bloß die Leute stinkwütend.«
Manch einer schien das südafrikanische System sogar gut zu finden. Jim Turners Vater erklärte einigen von uns, daß wir »ein ähnliches System entwickeln müßten, wenn wir mit zwanzig Millionen Maoris zusammenlebten«. Unsere Mütter schienen fast allem zuzustimmen, was ihre Männer sagten. Falls dem nicht so war, behielten sie es für sich.
Nicht alle auf The Spit waren gegen die Demonstration, die für den 8. Juni geplant war. Matt Templetons Schwestern etwa waren komplett dafür. Matt berichtete, fünf der älteren hätten angekündigt, daß sie hingehen würden, obwohl ihr Vater es strikt verboten hatte. Matt sagte, es habe diverse heftige Auseinandersetzungen gegeben und zwei seiner Schwestern wohnten jetzt im Gartenhäuschen am Rande ihres Grundstücks und kämen nur noch dann zum Essen rein, wenn ihr Vater nicht da war.
Eine andere Person, die dezidiert gegen die Tour Stellung bezog, war Mrs. Montgomery. Sie war Witwe und wohnte nur wenige Häuser vom Geschäft der Ashers entfernt. Aus uns unbekannten Gründen hatte sie das Plakat für die Demonstration an ihr Fenster geklebt, so daß es von der Straße aus gut zu sehen war. Das Wort Witwe läßt sie älter erscheinen, als sie war, tatsächlich war sie erst Anfang Vierzig. Mr. Montgomery starb mit 38 Jahren an einem heimtückischen Schlaganfall. Er war draußen an der Straße vor seinem Haus und beizte den Gartenzaun ab. Als man ihn fand, hatte er so lange in der verschütteten Holzbeize gelegen, daß seine linke Hand und sein halbes Gesicht tief braun gebeizt waren. Man ließ den Sarg beim Begräbnis geschlossen. Der Witz, der schnell die Runde machte, war, daß Mr. Montgomery ausgesehen habe wie ein Maori. »Oder zumindest wie ein halber Maori.«
Bis zum letzten Tag der Tour trug Mrs. Montgomery einen dieser HART-Buttons. Aus sicherer Quelle wußten wir, daß sie einmal auf der Post nicht bedient wurde, weil sie den Button trug. Mrs. Montgomery hatte dem Schalterbeamten gesagt, sie würde dann eben ihre Briefmarken woanders kaufen. Doch sie und die Templeton-Mädchen waren eindeutig in der Minderheit. Die meisten Bewohner von New Brighton hielten den Demonstrationszug für völlig unangemessen und inakzeptabel. Wir hörten sogar, wie einige das Wort »Verrat« in den Mund nahmen.
Anfang Mai nahm Mr. Templeton Jim Turner beim Rugbytraining noch immer hart ran. Nicht nur, daß ihm der Killerinstinkt fehlte, bemängelte der Trainer, sondern er habe auch nicht die erforderliche körperliche Fitneß. Jim war aber nicht der einzige, auf dem er herumhackte. Die erste Mannschaft hatte gleich die ersten drei Spiele der Saison verloren, und Mr. Templeton erhöhte den Druck auf seine Spieler. Die bevorstehende Tour machte es sogar noch wichtiger, gut abzuschneiden, als dies normalerweise schon der Fall war. Jim rannte also sechsmal pro Woche
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