Rocking Horse Road (German Edition)
durch die Dünen. Und er aß jede Menge Eier und Bananen, denn er hatte irgendwo gelesen, diese Diät steigere die Leistungsfähigkeit von Athleten. Das Laufen über Sandhügel ist vermutlich das erfolgversprechendste Rezept, um seine Kondition zu verbessern. Der weiche Sand ist die Hölle für die Beine, und nach ein paar Minuten stellen selbst Jungs, die sich für fit halten, fest, daß ihre Oberschenkel brennen wie Feuer und ihre Atmung stark an Dampflokomotiven erinnert. Es ist keine Übertreibung, zu behaupten, daß Jim Turner nach einem Monat regelmäßigen Sandhügellaufens die achtzig Minuten Gerenne über das Rugbyfeld pipileicht fand.
Es war Samstagmorgen, und der Seenebel hatte sich wieder mal über The Spit gelegt. Jim störte das nicht weiter. Er mußte schließlich nur sehen, wohin er trat. Von seinem Haus aus war er durch die Dünen zum Spielplatz mit dem Schwimmbecken nahe dem Einkaufszentrum gerannt. In der Mitte des Beckens sitzt noch immer ein Betonwal. Der Wal wird jedes Jahr zu Sommeranfang blau angestrichen, und wenn Wasser im Pool ist, dient sein Atemloch als Springbrunnen. Wir alle haben Erinnerungen daran, wie wir als Kinder auf den Wal geklettert sind, um von seinem Rücken ins Wasser zu rutschen. Jetzt gibt es da ein Pier nahe am Spielplatz und eine schicke Bibliothek mit zwei Cafés und Außengastronomie. Damals aber gab es nur eine Rutsche und das Walbecken und Schaukeln auf Betonboden.
Jim hatte angehalten, um sich zu dehnen, bevor er zurücklief. Er lehnte sich dazu mit den Händen gegen die Wand der Umkleide und stellte ein Bein nach hinten. Da hörte er plötzlich ein seltsames Geräusch, »als ob jemand gleichzeitig schreien und ertrinken würde«. Der Nebel wallte in dichten Schwaden heran, die sich trennten und wieder verschmolzen, wobei sich immer wieder neue schmale Durchblicke öffneten.
Jim stand nahe am Rand des Schwimmbeckens. Jetzt, nach dem Sommer, war der große Wal ausgeblichen, und die Farbe blätterte ab. Das Wasser war abgelassen worden, doch hatte sich der Beckenboden mit Regenwasser gefüllt, das grünlich verfärbt und von den Möwen, die daraus tranken, verdreckt war. Neugierig geworden, ging Jim die Stufen zum Parkplatz hoch. Da standen ein paar Autos von Surfern, zumeist ganz vorn am Meer, von wo aus man an einem klaren Tag die Höhe der Wellen ermessen konnte. Manche Leute surfen bei jedem Wetter, solange nur die Wellen gut sind. In Jims Ohren klang das Brandungsrauschen nach ziemlich hohen Wellen, aber sehen konnte er sie wegen des Nebels nicht. Die Surfer waren wohl alle draußen, denn er sah niemanden in einem Auto sitzen. Der Parkplatz war ziemlich groß, und die Autos an seinem anderen Ende wurden immer wieder vom Nebel verschluckt.
Und dann hörte er das Geräusch wieder. »Beim zweitenmal klang es wie ein verletztes Tier, ein Hund oder so was. Es kam aus einer alten Rostlaube, die einem Surfer gehören mußte, das Brett war noch auf dem Dachträger festgeschnallt.«
Jim näherte sich vorsichtig und spähte durch die Rückscheibe. In der nächsten Sekunde riß er die hintere Tür auf und zerrte einen Typen rückwärts an seinen Haaren heraus. Die Jeans hingen ihm um die Knöchel, und sein Schwanz wackelte in der Nebelluft vor ihm. Jim mag zwar der Killerinstinkt gefehlt haben, aber er war doch ein Riesenkerl. Und er war das Geschiebe und Getrete, das Gestoße und Gezerre in Gedränge und Gasse gewohnt. Und ihm kam das Überraschungsmoment zugute. Der Typ, den er da am Haar gepackt hielt, war ein Surfer, der im Norden von New Brighton wohnte. Er kam aus einer katholischen Familie und besuchte die Schule neben der Basilika in der Stadt, er war im letzten Schuljahr. Er stand nicht auf unserer Liste. Jim ließ seine Haare los. Der Typ bemühte sich gerade, richtig auf die Beine zu kommen, da stieß ihn Jim, so hart er konnte, und das war verdammt hart. Die Jeans hing noch immer um seine Knöchel, und er stolperte und knallte rücklings auf den Beton.
Jim erzählte uns, daß der Surfer dann wegzurollen versuchte, wobei er an seinen Hosen zerrte, die aber an seinen Schuhen festhingen. Dazu schrie er ziemlich normale Verwünschungen, doch Jim hörte auch deutlich, wie er sagte: »Sie wollte es so. Sie hat gesagt, ihr gefällt das.«
Jim ließ die Arme sinken. Der Typ hatte Zeit, auf die Füße zu kommen, schwankte aber wie ein Stehaufmännchen. »Verpiß dich«, sagte Jim.
»Und was ist mit meinem Auto?«
»Verpiß dich«, wiederholte Jim und machte ein
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