Rocking Horse Road (German Edition)
Die Worte gingen im Rauschen der Zweige über uns komplett unter. Plötzlich setzte Motorengeheul ein, und wir hörten wummernde Bässe. Beides stammte von einem orangefarbenen Datsun, der so klang, als hätte er ein Loch im Auspuff. Den Fahrer erkannten wir gerade noch als einen Typen aus North Brighton, er war neunzehn oder zwanzig und ein Freund von Brent Cox. Neben ihm saß ein Typ, und hinten saßen mindestens noch drei. Der Fahrer beschleunigte, als er am Park vorbeifuhr, jubelte den Motor hoch und hupte. Die Kerle schrien etwas aus dem Auto heraus, dann war der Spuk vorbei, und der Wagen verschwand in der Nacht. Der Mann von HART sprach unverdrossen weiter.
Jede Hoffnung, daß die Unterbrechung einem Zufall geschuldet sein mochte, erledigte sich, als der Datsun ein paar Minuten später wiederkam. Die Reifen quietschten unter den herabhängenden Büschen, und es gab eine Wolke von weißem Rauch. Geschrei und Gelächter ertönten. Der Mann von HART sprach zwar noch immer weiter, aber zahlreiche Demonstranten wandten sich nun zur Straße um, und wir sahen, wie sie die Köpfe schüttelten.
Der Redner verfügte nicht über die Gabe, die Zuhörer wirklich aufzustacheln. Vielleicht spürte er, daß ihm sein Publikum abhanden kam, und verkündete deshalb den Beginn des Demonstrationszugs. Ein Transparent wurde entrollt, und eine Stange nahm die Frau in Violett, die andere der Redner. Während der Reden war es dunkel geworden, auf diese langsame, fast unmerkliche Art, in der die Dunkelheit sich auf offene Plätze herabsenkt. Als das Transparent hochgehoben wurde, konnten wir kaum lesen, was draufstand. Einige Demonstranten hatten kleinere Transparente mit, manche nur selbstbemalte Papptafeln. Die Leute knipsten ihre Taschenlampen an, und der Zug setzte sich in Bewegung aus dem Park heraus auf die Marine Parade, wo er in Richtung des Einkaufszentrums marschierte.
Für uns sah das alles ziemlich lächerlich aus. Rund 50 Leute, die im Dunkeln langsam hinter einem Transparent hermarschierten – das entsprach nicht unserem Begriff von Protest. Es war ganz und gar nicht der wütende Aufstand, den wir erwartet hatten. Eher der Gruppenspaziergang einer Kinderhilfsorganisation. Als spürte sie, daß etwas fehlte (zum Beispiel etwa fünf hundert Leute mehr), hatte die Frau in Violett plötzlich ein Megaphon in der Hand. Wir fuhren auf unseren Rädern langsam hinterher und lauschten ihren Parolen, die sie in die Nacht brüllte. Sie sprach mit verdüsterter Stimme davon, daß Neuseeland sich durch die Tour zum Verfechter der Apartheid mache.
»Stoppt die Tour!«, rief sie. Dann nannte sie die jährlichen Zahlen von schwarzen Opfern der südafrikanischen Polizei. »Stoppt die Tour!« Vieles verstanden wir nur halb. Einiges glaubten wir einfach nicht. »Stoppt die Tour!«, beschwor sie die zugezogenen Vorhänge und verschlossenen Türen der Häuser.
Die Gruppe marschierte weiter, von Lichtkegel zu Lichtkegel der Straßenlaternen, die Taschenlampen tanzten in der schwärzer werdenden Dunkelheit. Die Stimme der Frau forderte die Leute in ihren Häusern auf, rauszukommen und sich der Demonstration anzuschließen. Sie predigte den Gartenzäunen und Hecken, den weißen Gittern und Betonflamingos. Sie verkündete ihnen, sie hätten »nichts zu fürchten außer der Furcht selbst« (sogar wir merkten, daß sie sich hier mit fremden Federn schmückte, nämlich aus einer Kampagne, die weit populärer war als ihre).
Die Demonstranten schienen sich allmählich warmzulaufen.
»Stoppt die Tour!«, erklang immer lauter. Und fast alle fielen ein, als sie ein Lied anstimmte: »We Shall Overcome« erklang überraschend schön. Als sie sich dem Empire näherten, sangen sie es schon zum zweiten Mal.
Der Lärm lockte die Männer, die im Empire tranken, heraus. Sie drangen aus der großen Eingangstür, manche schwankten ein wenig, andere hatten noch ein dreckiges Grinsen im Gesicht. Ihre fröhliche Bierlaune zersprang in tausend Stücke, als sie die Demonstranten sahen. Sie studierten die Transparente und Pappschilder und erkannten instinktiv, daß ihnen das unmöglich gefallen konnte. Im schwachen Licht der Straßenbeleuchtung konnten sie immerhin genug davon lesen, um zu erkennen, daß sie da in ihren Grundfesten erschüttert werden sollten. NEUSEELÄNDER VEREINT GEGEN APARTHEID
Das Haupttransparent war ein bißchen wortreich, und es dauerte vermutlich eine Weile, bis die angetrunkenen Stammgäste es entziffert und verstanden hatten, aber die
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