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Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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ihrem Weg zum Auto, um nicht am Empire vorbeizukommen.
    Der Demonstrationszug sollte ursprünglich beim Einkaufszentrum enden, wo noch weitere Reden gehalten werden sollten. Aber als die Gruppe auf dem Platz vor dem Supermarkt ankam, steckten die Frau in Violett und ein paar andere Organisatoren die Köpfe zusammen. Es gab sehr wenig Licht in dem Einkaufszentrum. Von Zeit zu Zeit hörte man in der Ferne ein Auto vorbeifahren. Wir saßen auf unseren Rädern im Dunkeln und schauten zu, wie die Frau in Violett ein paar Worte sagte. Vielleicht war das Megaphon kaputtgegangen, als sie es vor  dem Empire fallen ließ, jedenfalls benutzte sie es jetzt nicht. Nun, die Gruppe war inzwischen so klein, daß sie keine Verstärkung für ihre Stimme brauchte. Es waren höchstens noch zwanzig Leute da. Die richteten alle ihre Taschenlampen auf die Rednerin, so daß sie hinter sich zwanzig Schatten warf. Als sie ihre Ansprache beendet hatte, löste sich die Gruppe schnell auf, und alle gingen nach Hause.
    Wir radelten die Rocking Horse Road entlang, als Mark Murray sagte: »Mr. Jenson heißt mit Vornamen Simon.« So einfach war es also.
Wir versuchten soviel wie irgend möglich über SJ rauszukriegen. Schnell stellten wir fest, daß er dreiundzwanzig Jahre alt und nicht verheiratet war. Er war Anfang 1980 von Dunedin nach Norden gezogen, und in seiner Stimme klang noch der Dialekt des Südens durch: Die Rs in Shakespeare oder Pentameter rollten wie Meeresdünung am Ende seiner Worte aus. SJ mietete ein altes Holzhaus ungefähr in der Mitte der Rocking Horse Road, nur fünf Gehminuten vom Laden der Ashers entfernt. Es war ein ehemaliges Wochenendhaus, kaum mehr als vier Zimmer unter einem Wellblechdach; die Gartenbeete waren mit Hunderten von weißgekalkten faustgroßen Steinen eingefaßt. Das Haus stand in der Mitte eines etwa 1000 Quadratmeter großen Grundstücks, das auf der Rückseite nur durch zwei schlaff herabhängende Drähte von den Dünen getrennt war.
    Erkundigungen ergaben, daß SJ bei seinen Schülern sehr beliebt war, zumindest bei den Mädchen. Sie fanden ihn gutaussehend. Uns war es unangenehm, seine körperliche Attraktivität zu beurteilen. Er war ziemlich groß, hatte braune Augen. Seine dunklen Haare waren eine Spur länger, als es sich für einen Lehrer gehörte. Es widerstrebte uns, aus dem, was wir beobachten konnten, Schlüsse zu ziehen. Nur Matt Templeton mit seinen fünf älteren Schwestern war ganz klar in seiner Einschätzung: »Natürlich schwärmen alle Mädchen für ihn.«
    Unter den Mädchen in SJs Klassen gab es andauernd Rivalitäten und Eifersüchteleien seinetwegen. Dabei tat SJ anscheinend nichts, um das Interesse der Mädchen zu wecken. Er bevorzugte auch keine. Sogar Martha Ferguson, die Biederste der Biederen, bekam gelegentlich ein Lächeln oder ein aufmunterndes Wort von ihm. Martha war in der Foto-Ag, die SJ jeden Mittwoch nach der Schule anbot. Bis auf eines waren alle Mitglieder weiblich, und der einzige Junge interessierte sich ganz unverhohlen für Theater: Er war in der 11. Klasse und wurde allgemein »die Schwuchtel« genannt. Die meisten Jungen, die bei SJ Unterricht hatten, fanden ihn als Lehrer okay.
    Bei unserem Gespräch beschrieb Martha SJ als »völlig verändert«, seit das neue Schuljahr begonnen hatte. »In welcher Beziehung«? fragten wir und erhofften uns eine Enthüllung. Ihr biederes rundes Gesicht schaute ernst zu uns hoch, und ihr Mund stand weit offen wie bei einem Tiefseefisch. »Es ist«, begann sie nach einem langen Seufzer, »es ist, als wäre er weggegangen und nur sein Körper wäre noch hier.«
    Bei jeder Gelegenheit folgten wir SJ, durch die Schulkorridore und über den Pausenhof, wie Schmeißfliegen einem kotverschmierten Hund. Unsere Augen krochen beständig auf ihm herum.
Der Juni ging in den Juli über, und mit den ersten Wintertagen gab es die ersten Unstimmigkeiten unter uns. Die Nachmittagssitzungen in Jim Turners Garage verliefen in einer gespannten Atmosphäre, wenn wir darüber debattierten, was als nächstes zu tun sei. SJ hatte seit drei Wochen nichts Verfängliches oder auch nur Unerwartetes getan. Außer seinen verdächtigen Initialen und der Aussage eines biederen Mädchens, wonach er »völlig verändert« sei, hatten wir gar nichts in der Hand. Eine Fraktion, deren Sprecher Roy Moynahan war, wollte durch einen anonymen Anruf die Polizei über SJs Identität informieren. Es gab eine besondere Telefonnummer, auf die gelegentlich noch in der

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