Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
Vom Netzwerk:
Garage, das Haus und vermutlich die ganze Rocking Horse Road in Brand gesteckt. Trotz des Regens am Morgen war die Hecke innen noch immer trocken. Mehrere kleine Feuer brannten dort. Wir rannten hin und traten sie aus, so gut wir konnten, aber es zuckten immer neue Flammen auf, und einige Brandherde drohten außer Kontrolle zu geraten. Endlich hatte Jim die rettende Idee, den Gartenschlauch seines Vaters einzusetzen.
    Als alle Feuer in der Hecke gelöscht waren und wir sichergestellt hatten, daß es nicht woanders noch brannte, waren die Fotos verschwunden. Entweder waren sie verbrannt zu dünnen Ascheschichten oder, was wahrscheinlicher war, in die Nacht hinausgeweht worden. Wir stellten uns vor, wie sie zum Himmel emporflammten. Erst vor kurzem erinnerte sich Al Penny, daß er in den tief hängenden dunklen Himmel geschaut hatte und einen winzigen Moment lang meinte, Lucys Gesicht darin zu sehen, von den Flammen gereinigt. Sie lächelte zu ihm herab.
    »Sie war so wunderschön. Und dann war sie verschwunden.« Kurz darauf gingen wir alle nach Hause und saßen mit unseren Familien beim Abendessen, als wäre nichts geschehen. Wenn wir mürrischer oder unkonzentrierter als sonst waren, sagte uns das jedenfalls niemand. Unsere Familien hatten sich an unsere Schweigsamkeit und plötzlichen Verstimmungen gewöhnt; sie schoben diese Stimmungsschwankungen auf unser Alter und machten sich nichts daraus.
    Der richtige Orkan setzte ein, als die meisten von uns noch beim Essen waren. Der Wind wurde plötzlich noch heftiger. Der Regen peitschte gegen die Fenster und trommelte mit nassen Fäusten aufs Dach. Man mußte sehr laut sprechen, um den Lärm zu übertönen. Nach dem Essen wurden die Fernseher auf volle Lautstärke gestellt. Die Nachrichten begannen mit den Verwüstungen, die der Orkan in Dunedin und anderen Städten und Dörfern südlich von uns angerichtet hatte. Häuser waren abgedeckt worden, Autos umgestürzt. Fast überall gab es Überschwemmungen. Die Kanalisation konnte die Wassermassen nicht bewältigen. Besorgte Ladenbesitzer wurden gezeigt, wie sie durch das Wasser wateten, um Waren in höhergelegene Regale zu verfrachten. Ein alter Mann im Schlafanzug streckte beide Daumen hoch, während er von einem Feuerwehrmann aus einem überschwemmten Altersheim getragen wurde. Die Schnellstraße war südlich von Timaru gesperrt, weil die riesigen Wellen ein Stück Straße unterspült und ins Meer gerissen hatten.
    Aber wir mußten uns nicht vom Fernseher sagen lassen, wie heftig der Orkan war. Wir beobachteten, wie unsere Väter bei jedem ungewöhnlichen Geräusch draußen nervöser wurden; sie horchten auf das Knacken abgerissener Äste oder das Quietschen herausgezogener Nägel. Unsere Mütter waren entweder ernst und schweigsam, als sie das Essen auftischten, oder sie trugen eine aufgesetzte Heiterkeit zu Schau. Was von beidem schlimmer war, konnte man nicht sagen.
Tug Gardiner wachte in der Nacht auf. Er lag da und lauschte dem Regen, der noch immer gegen die Wände und aufs Dach seines aufgestockten Zimmers klatschte. Das Zimmer kam ihm wie ein Boot vor, das gegen den Sturm ankämpfte. Die roten Ziffern auf seinem Radiowecker zeigten 00:30. Er war von einem Traum geweckt worden. Einem Traum von Lucy. Er hatte ihn mit einem Schlag hellwach gemacht. Sein Schlafanzug war tropfnaß von Schweiß, obwohl es kühl im Zimmer war.
    »Ich wußte direkt, daß ich gehen mußte«, sagte er uns später. Er zog sich im Dunkeln an und kletterte, so leise er konnte, die steile Treppe von seinem Zimmer herunter. Sein Regenmantel hing im Schrank neben der Haustür, wo er auch die Golftasche seines Vaters fand. Tug zog ein Wedge heraus und spürte sein Gewicht. Er schwang den Schläger zur Probe in dem schmalen Flur und schlüpfte dann hinaus in die Nacht.
    In Häusern in beiden Richtungen der Rocking Horse Road taten wir dasselbe. Jeder von uns war um dieselbe Zeit aufgewacht wie Tug, 0:30 Uhr. Und jeder von uns wußte beim Aufwachen direkt, was zu tun war. Wir geben ohne weiteres zu, daß diese ganze Sache lächerlich wirkt, wenn man sie zu Papier bringt. Hier auf der Seite in schwarz und weiß ist es absurd – etwas, was wir normalerweise als den allergrößten Blödsinn abtun würden. Aber die Wahrheit ist, daß wir alle exakt denselben Traum hatten. Wir alle haben in dieser Nacht von Lucy geträumt. Sie stand am Strand, genau an der Stelle, wo Pete Marshall ihre Leiche gefunden hatte. Sie war in weiches weißes Licht getaucht,

Weitere Kostenlose Bücher