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Rocking Horse Road (German Edition)

Rocking Horse Road (German Edition)

Titel: Rocking Horse Road (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Nixon
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und ein fingergroßes Stück Treibholz steckte in ihrem verfilzten Haar. Wir konnten die Blutergüsse um ihren Hals sehen. Lucys Augen fixierten uns. Sie sprach nicht, aber ein Ausdruck unermeßlicher Trauer lag auf ihrem Gesicht. Sie flehte uns an. Sogar ohne Worte verstanden wir, was sie von uns wollte.
    Nur Jase Harbidge stieß auf Schwierigkeiten, als er sich aus dem Haus schleichen wollte. Er ging angezogen durch die dunkle Küche zur Hintertür, da sah er plötzlich seinen Vater am Küchentisch sitzen. Er starrte auf eines seiner Hochzeitsfotos, im schwachen Schein der Lampe, die im Flur hing und immer brannte. Bill Harbidge schaute auf die schwere Brechstange, die Jase in der Hand hatte.
    »Ich muß raus«, sagte Jase.
    »Natürlich«, entgegnete sein Vater und warf einen Blick auf das Fenster, an dem der Regen herunterlief. Er ging zum Kühlschrank und fing an, sich ein Sandwich zu machen. Jase beobachtete ihn, wußte aber nicht, was er noch sagen sollte, und ging einfach wortlos hinaus.
    Der Wind schien etwas nachgelassen zu haben, aber es regnete noch immer stark, als wir aus unseren Häusern traten. Wie im Süden konnten auch in New Brighton die Kanal- und Entwässerungssysteme diese Wassermengen in so kurzer Zeit nicht aufnehmen. Die Rocking Horse Road stand immer tiefer unter Wasser, und riesige Pfützen von Regenwasser plätscherten gegen den Bordstein. An manchen Stellen hatte sich das Wasser von beiden Seiten der Straße in der Mitte vereinigt und dunkle Seen gebildet, durch die wir wateten.
    Tug traf Pete Marshall in der Nähe des Ladens der Ashers. Als hätten sie sich verabredet gehabt, gingen sie wie selbstverständlich nebeneinander weiter, doch keiner sprach auch nur ein Wort. Jim Turner berichtete, er habe Jase vor sich auf der Straße gesehen. Andere zog es an den Strand, und das Licht ihrer Taschenlampen flackerte, als sie auf den Holzstegen durch die Dünen gingen. Hinter den Dünen schlugen gewaltige Brecher weißschäumend auf den Sand.
    Wir versammelten uns an SJs Haus, einzeln oder zu zweien kamen wir aus der Dunkelheit. Tug und Pete waren als erste da. Tug trug wieder die Kapuze. Er tippte mit dem Kopf seines Golfschlägers rhythmisch gegen einen Zaunpfahl, während er wartete. Jim Turner hatte sein Gesicht mit Schuhcreme geschwärzt, so daß man im spärlichen Licht nur das Weiße seiner Augen sehen konnte. Al Penny und Matt Templeton trugen Sturmhauben, und Mark Murray hatte einen Baseballschläger dabei. Pete Marshall war bei der Garage der Turners vorbeigegangen und hatte Lucys Trophäe geholt; jetzt hielt er sie hoch wie einen silbernen Talisman. Keiner erwähnte seinen Traum.
    Als wir vollzählig waren, traten wir auf den Rasen vor SJs Haus. Einen Moment lang wußten wir nicht weiter. Der Traum hatte uns hergeführt, uns aber nicht gesagt, was wir hier tun sollten. Das einzige Licht kam von einer nackten Glühbirne über der Haustür. Wir standen nach Süden gewandt, und der Regen schlug uns ins Gesicht; wer noch nicht völlig durchnäßt war, holte das schnell nach.
    Wir bemerkten nicht gleich, daß der Regen bereits tiefe Pfützen auf dem Rasen gebildet hatte, und die Pfützen vereinigten sich zu Seen. Hätten wir hingeschaut, wäre uns aufgefallen, daß das bei allen Häusern, an denen wir vorbeikamen, so war. Daß die Straße unter Wasser stand, war schon früher vorgekommen, aber überall sonst auf The Spit waren Pfützen unnatürlich. Das Wasser versickerte normalerweise sofort im Sand. Doch wir hatten kein Auge für Pfützen, nicht einmal für den Orkan. Wir konzentrierten uns ganz auf das Haus vor uns.
    Der sanfte Al Penny nahm als erster einen der weißgekalkten Steine, die die Beete einfaßten, und warf ihn. Der Stein beschrieb einen Bogen durch die Dunkelheit. Wir schauten ihm nach, wie er durch die Luft flog und durch das Schlafzimmerfenster brach. Das Klirren des Glases durchschnitt die Geräusche von Wind und Regen. Nach einer kurzen Pause ging das Licht im Schlafzimmer an. Wir alle konnten SJ klar erkennen, wie er durch die kaputte Scheibe spähte. Er war aus dem Schlaf hochgeschreckt und hatte weit aufgerissene Augen. Als weitere Steine gegen das Haus flogen, erlosch das Licht im Schlafzimmer wieder.
    Es gab mehr als genug Steine, Hunderte. Einige prallten an der Holzfassade ab, andere fanden ihr Ziel. Mehr Glas ging zu Bruch und fiel zu Boden, nicht nur im Schlafzimmer. Die Fenster der Dunkelkammer und des Wohnzimmers und die mit Lüftungsschlitzen versehenen

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