Rocking Horse Road (German Edition)
knapp über der Fußleiste. Um die Mittagszeit hatten unsere Väter schon ihre Versicherungen angerufen, und am Abend kamen die ersten Gutachter zu uns nach Hause. Männer in Anzügen öffneten verschlammte Öfen und schauten in unsere Schränke, wo unsere Schuhe mit Seetang bedeckt waren.
Unsere Väter nahmen sich frei. Die nächste Woche verbrachten sie damit, Teppichböden rauszureißen und zerstörtes Mobiliar zusammenzutragen. Wir halfen dabei, durchnäßte Teppichunterlagen aus Wolle und Gummi in kommunale Müllcontainer zu stecken, die am Straßenrand aufgetaucht waren. Unsere Mütter blieben zumeist im Haus, schrubbten verbissen die Wände oder saugten die nackten Bodenbretter, bis wir den Lärm nicht mehr aushielten.
Schließlich bezahlten die Versicherungen den Schaden, und wir halfen dabei, alle Wände neu zu streichen. Wir halfen auch beim Reintragen von neuen Sofas und Fernsehern. Wir schauten den Handwerkern beim Verlegen der neuen Teppichböden zu. Bei all den Veränderungen hatten wir das Gefühl, in anderen Häusern zu leben und nicht mehr in denen, in denen wir aufgewachsen waren. Es roch anders, nach neuen Teppichen und frischer Farbe. Und es gab überall neue Farben.
Die Springboks reisten am 19. Juli ein. Wir waren mit Aufräumen und all den Veränderungen viel zu beschäftigt, um davon groß Notiz zu nehmen.
Sogar der Strand sah nach dem Orkan anders aus. Steile Sandkliffs erhoben sich, wo zuvor sanft geschwungene Dünen waren. Einige der riesigen Kiefern im Naturschutzgebiet hatte der Wind umgeworfen, und innerhalb weniger Wochen wurden sie mit Kettensägen zerteilt und von Männern mit hungrigen offenen Kaminen und einem sparsamen Auge weggeschafft. Jim Turners Vater erklärte dem Versicherungsmenschen, daß die Überschwemmung seine Garage stark beschädigt hatte. Eine Wand sei bei dem Sturm eingestürzt. Wir vermuteten, daß Mr. Turners eigene Anstrengungen mit einem Seil, das er ans Auto seines Nachbarn gebunden hatte, weit mehr mit dem Schaden zu tun hatten als der Wind. Als Al am Morgen nach dem Orkan unsere Sachen aus der Garage holte, standen nämlich alle vier Wände noch. Wie auch immer, jedenfalls wurde die Garage abgerissen und durch eine neue aus Aluminium ersetzt, bezahlt von der Versicherung. Der Billardtisch wurde auf den Müll geschafft, und obwohl Jims Vater versprach, ihn zu ersetzen, kam es nie dazu.
Unsere Welt hatte sich auch in weit subtileren Belangen verändert. Wir mußten jetzt vor der Tür die Schuhe ausziehen und unsere Füße mit dem Gartenschlauch abspritzen, wenn wir barfuß vom Strand kamen. Möbel, die vom Wasser zerstört worden waren, wurden ersetzt, und unsere Mütter nutzten die Gelegenheit, alles umzustellen. Wir holten uns jetzt blaue Flecken, wenn wir in der Dunkelheit durchs Haus tappten. Einige von uns schliefen in neuen Betten, in Zimmern, in denen unsere Rugbyplakate und Ankündigungen der Tour wegen der neuen Tapeten nicht wieder aufgehängt werden durften. Viele unserer Sachen waren dem Wasser zum Opfer gefallen; alles, was tiefer als kniehoch gelegen hatte. Kleider, Schuhe und geliebte Musikkassetten, Ghettoblaster und alte Schulhefte waren in die Abfallcontainer gewandert.
Zuerst war alles, was der Zerstörung entronnen war, ordentlich in die Schränke geräumt worden, doch als wir merkten, daß das Leben weiterging, steckten wir die Sachen in Plastiksäcke und stellten sie für die Müllabfuhr auf den Gehweg. Das Fazit dieser Flut von ’81, wie das Ereignis schon bald genannt wurde, war, daß wir uns in unserem eigenen Zuhause fremd fühlten. Wir wachten nachts auf und wußten nicht, wo wir waren.
Unsere Gedanken richteten sich darauf, was für ein Leben wir wohl führen würden, wenn wir erst einmal bei unseren Eltern ausgezogen waren und uns einen eigenen Platz in der Welt suchen mußten. Zum ersten Mal in unserem Leben erschien uns das als eine realistische Vorstellung.
Sieben
Für die Annalen: Wir haben SJ nicht umgebracht. Er erlitt eine schwere Gehirnerschütterung und mußte mit 23 Stichen am Kopf genäht werden (Exponat 88, Arztbericht). Sein linkes Handgelenk war gebrochen, vermutlich durch den Aufprall des Golfschlägers. Sein linkes Knie war zerschmettert und mußte neu aufgebaut werden. Der Arztbericht vermerkt, daß er später im Leben wahrscheinlich unter Rheuma in diesem Gelenk leiden würde. Wir wissen nicht, ob diese Prophezeiung eingetroffen ist. SJ hatte erhebliche Prellungen an seinem Rücken und den Beinen, wo ihn
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