Rockoholic
Kragendings, schnappt sich seinen Bass, grüÃt uns mit erhobener Hand und schreitet zu seinem Mikrofon. Er ist sehr groÃ, genauso groà habe ich ihn mir vorgestellt. Sein Haar ist glatt gekämmt und glänzend und zwischen seinen Lippen hängt eine Zigarette. Er geht zu dem Schlagzeug, nimmt sich eine Dose Bier und zieht die Lasche ab. Er trinkt einen Schluck, schnipst die Lasche in unsere Richtung, dann geht er zu seinem im Scheinwerferlicht stehenden Mikro und schlägt ein paar Saiten an.
Er ist der Priester.
Das Gegröle der Menge legt sich über mich wie eine glutheiÃe Decke. Ich habe noch nie etwas dermaÃen Lautes gehört. Aber als Pashs Bass in Lennys Gitarrenspiel einfällt, legt die Menge sogar noch eine Schippe drauf. Lenny schrammelt sich eins und Pash zupft wie ein Besengter. Sie zupfen zwar ihre Saiten, aber es fühlt sich an, als verliefen diese Saiten mitten durch meinen Körper. Ich kann jede einzelne spüren, spüre die Vibration in mir drin. Ich kann alles fühlen! Die zusammengepferchte Masse schwappt erneut nach vorne und schubst mich von meiner Wolke sieben herunter. Plötzlich fällt mir das Atmen schwer. Ich schwitze tierisch und kann spüren, wie mir überall im Gesicht SchweiÃperlen aus den Poren treten. Ich hebe eine Hand, um mir die Stirn abzuwischen, und sie bleibt da oben, wo sie ist. Ich kann sie nicht wieder herunternehmen. Ich sehe aus, als würde ich mich auf irgendeine Frage melden.
Und wieder Gebrüll. Eine weitere Gestalt erscheint, diesmal aus dem Bühnenhintergrund. Wo? Wer? Was?! Es ist Jael Dennehy. O gütiger Cobain im Himmel, es ist Jael Dennehy und er ist nicht nur hier, er zeigt auch noch seinen freien Oberkörper. Sein Body ist genauso v-förmig und gebräunt wie auf allen meinen Bildern, aber er wirkt auch genauso schüchtern wie in den Interviews. Sein Oberkörper beult sich an genau den richtigen Stellen aus, aber sein Kopf ist gesenkt und bedeckt von einem wirren Haarschopf. Das Geschrei um mich herum ist abartig. Er trägt weiÃe Surfershorts, Nike High Tops und eine hochgeschobene Maske auf dem Kopf. Er hebt einen extrem muskulösen Arm, um uns zu begrüÃen, macht es sich auf seinem Hocker bequem und zieht sich die Maske übers Gesicht. Dann fängt er an einen gleichmäÃigen Marschrhythmus zu trommeln.
Er ist der Clown.
Alle rasten mordsmäÃig aus. Jaels Getrommel ist dermaÃen laut, ich schwöre, mir springen fast die Plomben aus den Zähnen. Stroboskoplichter zucken grellweiÃ, dann orange, rot, grün, lila, pink, blau über die Bühne. Meine Innereien wabern zum Geschrammel von Lennys Gitarre. Meine Beine zittern zum Wummern vom Bass. In der Luft liegt Schweià und Sex, um mich herum schreien und kreischen erwachsene Männer, und der Gestank von schalem Bier und ranzigen Ausdünstungen erfüllt meine Nase und meinen Mund.
Und auf einmal wird es vollkommen dunkel. Lenny, Pash und Jael hören auf zu schrammeln und zu trommeln. Auf der Bühne herrscht nahezu Stille. In der Menge fast trommelfellzerfetzendes Getöse. O ScheiÃe, Mann.
Ein einzelner weiÃer Scheinwerfer strahlt oben die Treppe an. O Mannomann, wie geil ist das denn!
Und da ist er.
Er steht da, die Arme vor der Brust gekreuzt. Seine Arme sind durch die Ãrmel fixiert. Er trägt eine weiÃe Zwangsjacke. WeiÃe Röhrenjeans. WeiÃe Doc Martens. Er ist Jackson.
Er ist der Wahnsinnige.
Jetzt sind sie alle da. Der Punk. Der Priester. Der Clown. Und der Wahnsinnige.
Der Lärmpegel im Publikum steigt um zehn Dezibel, obwohl Jackson einfach nur dasteht, völlig reglos. Ich bewege mich auch nicht. Mindestens für eine Minute rührt er sich nicht und ich rühre mich nicht. Jede Pore an meinem Körper wird zu Gänsehaut. Die Menge ruft.
»REGS! REGS! REGS! REGS! REGS! REGS! REGS! REGS! REGS! REGS! REGS! REGS!«
Ich fange an hemmungslos zu heulen. Er ist da. Sie sind alle da. Pasha John Fredericks, Bassist, geboren am 17. Februar, rotblond, Kettenraucher, E-Bass-Genie, Leonardo Joseph Mortiro, Leadgitarrist, geboren am 6. Juli, zu einem Viertel Italiener, Irokesenfrisur, Kiltträger, Klampfenspieler der Extraklasse, Jael Matthew Dennehy, Schlagzeuger, geboren am 10. März, von Geburt an stumm, hat ein Feuermal, Surfershorts-Träger, Sushi-liebendes Trommelass.
Und Jackson James Gatlin, Sänger, geboren am 3. September,
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