Rockoholic
bildschön, groÃe blaue Augen, braune Wuschelhaare, Abstinenzler, Vegetarier, Stephen-King-Fan, aus zerrüttetem Elternhaus, Bücherwurm, ein fleischgewordener Mädchentraum.
Jackson hat ein Kopfmikro. Er schreit und es ist, als würden sich mir tausend Messer in die Eingeweide bohren. Es ist wirklich Jackson. Er ist es wirklich. O mein Gott, er ist hier. Ich bin so nahe an ihm dran. Nicht nahe genug, aber doch näher, als ich ihm je zuvor war. Er fängt an zu singen, aber das Tosen der Menge ist wie eine Mauer. Ich kann ihn kaum hören. Ich flenne so heftig, dass ich ihn kaum sehen kann. Dann werden die Verstärker aufgedreht und seine Stimme schneidet durch meinen Körper wie eine Rasierklinge.
Ich schiebe und schubse, um ein paar Zentimeter näher heranzukommen, versuche meinen Platz vorne in der zweiten Reihe zu verteidigen, aber wenn man einem Regs-Fan einen Zentimeter gibt, nimmt er sich zwei, und in der Sekunde, in der ich mich bewege, um weiter vorzudrängen, schlieÃt sich die Lücke vor mir und plötzlich stehe ich einen Zentimeter weiter hinten als vorher.
»Jaaaacksoooon!«, kreische ich, aber es ist, als wäre nichts aus meinem Mund gekommen. Er wird mich sowieso nicht hören. Ungefähr tausend Leute brüllen das Gleiche.
Ich stehe auf Zehenspitzen und versuche so viel wie möglich zu sehen. Er stampft die Stufen herunter, sein Haar ist zu dichten Stacheln hochgegelt und er singt den ganzen ersten Song mit vor der Brust verschnürten Armen. Es ist ihr langsames Liebeslied, Tortuous vom neuen Album The Punk, The Priest ⦠Das heiÃt, sie werden die Songs in der gleichen Reihenfolge wie auf der CD bringen.
Jackson verschwindet für ein paar Minuten von der Bühne, während Lenny ein Gitarrensolo hinlegt. Und als Tortuous sein langsames, melodisches Ende erreicht, taucht er wieder am Bühnenrand auf. Seine Arme sind frei. Sein Blick ist wild. Und ich weiÃ, was als Nächstes kommt. Und es wird alles andere als hübsch werden.
Chaos wird kommen.
Und plötzlich werde ich hin und her geschubst, gestoÃen und herumgeschleudert wie ein Ball auf einem Schwungtuch. Jackson reiÃt die Arme auseinander. Er ist wie ein wildes Tier. Besessen. Springt von den Lautsprechern. Faucht und kreischt und spuckt in die Menge und alle lieben es. Die Lichter pulsieren in Grün, Rot, Weià und Knallblau. Die Trommelschläge treffen uns hart ins Gesicht und wir wollen immer noch mehr! Wir stillen unseren Hunger an ihm wie Vampire. Eine Vampirrinderherde.
Die Sicherheitstypen in den gelben T-Shirts stehen vorne vor der Absperrung so regungslos da wie Marmorsäulen, mit dem Rücken zur Bühne. Sie beobachten uns und kauen, füllen gelegentlich aus einem blauen Behälter Wasser in Becher und verteilen sie an uns. Ab und zu kriege ich ein paar Milliliter Flüssigkeit ab und trinke sie, als wäre es das letzte Wasser der Erde. Ãberall kreischen und weinen Mädchen, kratzen sich fast die Haut von den Gesichtern. Ich erkenne ein paar aus der Schlange wieder. Team Gatlin und den zierlichen Rotschopf. Ich sehe, wie Team Gatlin einem Typen im gelben T-Shirt ein Zeichen gibt, woraufhin der und ein anderer vortreten und sich über die erste Reihe hinwegrecken, um die Rothaarige herauszuziehen. Zwei Songs gespielt und sie kann schon nicht mehr. Sie hat sich den ganzen Tag die Beine in den Bauch gestanden und jetzt fischen sie sie schon heraus. Ich rücke um einen Körperumfang dichter an die vorderste Reihe heran.
Dann passiert das Allerschlimmste, abgesehen von der Vorstellung, dass ich jetzt gleich tot umfalle: Plötzlich weià ich nicht mehr, wo mein Mondstück ist. Ich weià nicht, warum es mir gerade in diesem Moment auffällt, aber ich weiÃ, dass es nicht in meiner Cargohose steckt â da sind nur der letzte Curly Wurly und ein paar Bonbonpapiere drin. Es ist in der Tasche meiner Fleecejacke, die um meine Taille gebunden ist, wo es beim Tanzen leicht herausfallen kann. Ich bleibe still stehen, während um mich herum alle auÃer Rand und Band sind, und schiebe meine Hand zu meiner Taille hinunter, um den Stein aus der Tasche zu holen. Und obwohl sie mich nicht hören können, entschuldige ich mich wieder bei den Körpern, die ich bei der Aktion schubse und berühre. Das Ganze dauert eine Weile und währenddessen versuche ich verzweifelt die Bühne im Blick zu behalten, um mitzubekommen,
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