Rockoholic
Flattern der Enten von unten. Ich stehe da wie festgenagelt. »Ist er tot?«
»Natürlich ist er nicht tot. Aber er wird da drin noch erfrieren. Wirdâs bald? Mach!«
Ich zwinge meine Beine sich in Bewegung zu setzen und renne an ihm vorbei die Brücke runter und dann die Böschung hinunter, schlittere über den gefrorenen Matsch am Ufer und durch das lange Schilfgras, bis ich etwas Eiskaltes an den Beinen spüre und im Wasser stehe.
»Ich ertrinke, ich ertrinke!«, kreischt Jackson. In der Mitte des Flusses strampelt er wie wild mit Armen und Beinen, japst und ruft und flucht panisch, obwohl er eigentlich mit den FüÃen den Grund spüren kann. Ich wate zu ihm hin, will keine Zeit verlieren, auch wenn jeder einzelne Nerv in meinem Körper mich anfleht stehen zu bleiben und mich erst ans kalte Wasser zu gewöhnen, bevor ich weitergehe. Ich wate immer weiter und schlinge beide Arme um ihn, versuche seine FüÃe vom Grund zu lösen und ihn mit mir zu ziehen, langsam und unbeholfen, während er in meinen Armen weiter um sich schlägt, bis hinüber ans Ufer.
Wir sinken beide auf den matschigen Boden hinunter. »Verflucht noch mal«, keuche ich. Jackson liegt zitternd neben mir und weint. Wenige Sekunden später höre ich Schritte und Mac ist da, er hat seine Jacke ausgezogen und legt sie Jackson von vorne um den Oberkörper.
»Ist alles gut, ist alles gut«, sagt er. »Komm, wir bringen dich jetzt mal ins Trockene und Warme.« Er hebt Jackson auf die FüÃe, wickelt ihn in die Jacke ein und führt ihn die Uferböschung hinauf, während ich wie eine Ratte im Flachwasser liegen bleibe. Meine Lunge pumpt Luft und jeder Atemzug tut weh.
Das ist nicht Jackson. So ist er einfach nicht. Das ist nicht der Mann, in den ich mich verliebt habe. Mein Seelenverwandter. Das ist nicht der Mann, der mich versteht. Das ist der Promi, von dem mein Opa gesprochen hat. Den der Ruhm total plemplem gemacht hat.
»Ist doch verdammt noch mal kein Wunder, dass sie sich umbringen wollen. Wer kümmert sich denn um sie?«
Darum hat Jackson diese ganzen schrecklichen Sachen über die Fans gesagt. Es hatâs satt, berühmt zu sein. Er hat das Prominentendasein satt. Er ist krank. Und dann, schneller, als mein Kopf es verarbeiten kann, schwemmen die einzelnen Teile heran und setzen sich zu einem Bild zusammen.
Ich muss ihm helfen. Ich muss mich um ihn kümmern. Das hatte Opa gemeint. Das bedeutet Donât dream it, be it . Ich habe Opa nicht helfen können, am Leben zu bleiben. Aber ich kann Jackson helfen!
Ich liege da, schwelge eine Weile in meinem Erleuchtungsmoment, dann rappele ich mich langsam hoch und trotte die Uferböschung hinauf, in meinen klatschnassen, sauschweren, kalten Klamotten. Aber innerlich ist mir ganz warm bei dem Gedanken an mein neues Projekt: Projekt Jackson. Projekt kalter Promi-Entzug. Und ich weiÃ, was ich tun muss. Ich muss ihn mit zu mir nach Hause nehmen, das ist der erste Schritt. Dann kann ich mich um ihn kümmern. Ich kann ihm wieder zu seinem alten Selbst verhelfen.
Aber als ich oben am Reitweg ankomme, ist Mac allein. Keine Spur von Jackson. Es bewegt sich etwas in der Hecke und dann kommt Alfie hervor, der dort sein Geschäft verrichtet hat.
»Wo ⦠ist ⦠er?«, schnaufe ich. »Wo ist Jackson?« Mac weist mit einem Nicken in Richtung Bibliothek. Da ist niemand, bloà ein paar Mülltonnen auf Rädern und ein roter Container, randvoll mit Pappe und Papierfetzen.
»Wo?« Ich zittere, meine Augen sausen suchend über den Platz. »O Mann, wir haben ihn wieder verloren, stimmtâs? Verdammt noch mal!«
Mac nickt rüber zu einer der Mülltonnen, eine groÃe grüne mit Deckel. Er formt tonlos mit den Lippen die Worte: »Da drin.«
Ich schaue die Tonne an. Ich gehe daneben in die Hocke. »Jackson?« Klopf. Klopf.
»Hau ab!«, hallt es zittrig und schluchzend. Ich kann auch ein Klappern hören â seine Zähne.
»Was macht er da?«, sage ich in Lippensprache zu Mac. Auch ich bibbere vor Kälte.
»Er hat gesehen, wie Marge durch den Hintereingang zur Bibliothek rein ist. Er dachte, sie wäre ein Paparazzo.«
»Ein w...w...was?« Ich schlottere. »Wie kommt er denn darauf?«
»Weil er ein paranoides Wrack ist. Er ist überzeugt, dass man ihn fortwährend beobachtet.«
»Aber Marge geht doch an einem
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