Rockoholic
Dienstag ist Dad ausgezogen. Ich hab meine Abschlussnoten gekriegt. Opa hat seine Testergebnisse gekriegt. Alles an einem Dienstag. Am Tag, als er gestorben ist, haben wir wieder einen Ausflug mit ihm gemacht, Mac, Cree und ich. Er wollte âºJunge-Leute-Sachenâ¹ machen, um sich selbst aufzumuntern. Seine Haut war ganz fahl und er war klapperdürr. Es gab da diesen Rummel in einem Vorort von Bristol und dort sind wir mit ihm hin. Die Fahrgeschäfte waren für ihn natürlich tabu. Ich konnte ihn weit unter uns in seinem Rollstuhl sitzen sehen. Cree schlief auf seinem SchoÃ. Wir sind mit der Achterbahn von oben runtergedonnert. Er sah so traurig aus. Er hatte diesen Plüschaffen, den ich gewonnen hatte, an den Pfoten um seinen Hals geklettet und sich meine Zuckerwatte auf den Kopf gelegt, damit es so aussah, als ob er Haare hätte.« Jackson runzelt die Stirn. »Wegen der Chemo.«
»Ich weië, sagt er, offenbar hat er nicht deswegen die Stirn gerunzelt. Jackson sieht mich einfach nur an. Ich habe das Gefühl, dass er noch etwas sagen will, aber er tutâs nicht.
»Ich weià noch, dass wir an einem Springbrunnen gegenüber der Reitbahn vorbeispaziert sind und Mac eine kleine Showeinlage gebracht hat. Er war gerade bei der Kostümprobe für Rocky Horror gewesen und total aufgedreht. Er hat Opa seine Tanznummer im Brunnen vorgeführt und wurde dabei nass bis auf die Knochen . Donât Dream It, Be It hieà das Lied. Er hat mit den Armen herumgefuchtelt und Sprünge im Wasser gemacht und seinen alten Damenschal zwischen den Beinen hin und hergerieben. Cree versuchte ihn nachzuahmen und wurde auch klitschnass. Es war saukomisch. Die Leute haben am Ende sogar geklatscht. Ich habe Opa noch nie so laut lachen sehen. Es sah aus, als hätte er Schmerzen beim Lachen. Er und Mac haben sich super verstanden.« Jackson hebt die Augenbrauen, dann zieht er sie wieder herunter, aber er sagt nichts, also mache ich weiter.
»Wir haben uns die Banksy-Ausstellung im Museum angesehen. Die Schlange davor war endlos lang. Opa hat so getan, als hätte er einen Tourette-Anfall, und angefangen wild fluchend in seinem Rollstuhl mit den Armen zu rudern, und da haben sie uns schneller reingelassen. Opa mochte Graffiti. âºWarum sollte man sich lieber eine langweilige graue Wand ansehen wollen, wenn jemand so viele Farben draufmachen kann?â¹, hat er gesagt.«
»Ein kleiner Anarchist«, sagt Jackson. »Klingt, als wäre er ein cooler Typ gewesen.«
»Das war er auch. Er wollte dann einen Frappuccino haben, und so sind wir mit ihm zum Starbucks am Ende der Park Street gegangen. Die StraÃe führt einen Hügel hinauf, und da gibtâs viele coole Shops und Cafés. Ich habâs nicht geschafft, den Rollstuhl die Stufen hochzuhieven, drum bin ich mit Opa drauÃen auf der StraÃe geblieben und Mac ist mit Cree rein, um ihr die Windel zu wechseln und die Getränke zu holen. Opa hat die ganze Zeit einfach nur geradeaus geblickt. Mac ist mit dem Tablett rausgekommen und ich hab die Hand nach meinem Becher ausgestreckt und in dieser Sekunde hat mir Opa eine Hand auf den Arm gelegt und geflüstert: âºDonât dream it, be it.⹠«
Jackson sieht verlegen aus, fast schon nervös. »Und dann ist er ⦠eingeschlafen?«
»Nein. Er hat seine Bremse gelöst und ist den Hügel runtergerauscht. Ich hab alles mit angesehen. Wie er über die SeitenstraÃen rübergebrettert ist, die FuÃgänger umkurvt hat. Ich hab ihn auf dem ganzen Weg nach unten schreien hören, aber es war kein ängstliches Schreien. Es klang glücklich. So wie Mac und ich auf der Achterbahn. Als wir dann endlich unten ankamen, war bereits alles vorbei. Er war direkt in das Schaufenster von diesem Sexshop gerast und saà da, begraben unter ⦠einem Haufen von Rüschenhöschen und so Zeug. Es war ganz furchtbar. Ein gefundenes Fressen für die Lokalpresse.«
»Ach du Schreck«, sagt Jackson.
Ich nicke.
»Ein paar Wochen zuvor hatte er es schon mal probiert, im Longleat-Safaripark. Da hatte er versucht sich aus Mums Auto zu werfen, als wir durchs Löwengelände gefahren sind.«
»Hoffentlich sterbe ich, bevor ich alt werde«, sagt Jackson mit einem Lächeln.
»Hä?«
Jackson fängt an laut loszugackern.
»Was ist denn so lustig?« Ich bin verunsichert. Ich schaue hinter mich, ob irgendetwas
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