ROD - Die Autobiografie
hoch waren, konnte ich mich von Zeit zu Zeit bei der Telefongesellschaft beschweren: »Hier muss ein Fehler vorliegen. Ich habe hier einen Eintrag von einem mehr als anderthalbstündigen Ferngespräch …« Und die Telefongesellschaft stimmte mir zu, dass dies in der Tat höchst unwahrscheinlich sei, und zog den Betrag von der Rechnung ab.
Am meisten schmerzte mich das Fehlen von Fußball im Jahr 1975, als ich zwölf Monate außerhalb von Großbritannien verbringen musste, um mich als Steuerflüchtling zu qualifizieren, und nicht einmal ein Kurzbesuch erlaubt war. Dieser Umstand machte mich zu einem der wenigen Menschen, die 8000 Kilometer von Los Angeles nach Irland geflogen sind, nur um die schottische Mannschaft im Fernsehen zu sehen. Angesagt war das jährliche Home-Championship-Spiel: England gegen Schottland im Wembley-Stadion. Das wollte ich um keinen Preis verpassen. Ich lud meine Familie aus England zu mir nach Dublin ins Hotel ein und nahm das Spiel zum Anlass, unser Wiedersehen zu feiern. Endstand 5:1 für England. Also eine ziemlich lange Reise, nur um eine Packung zu kassieren. Umgerechnet ergibt das 1600 zurückgelegte Kilometer pro England-Tor. Egal. Es tat gut, meine Familie wiederzusehen.
Als Schottland seine Revanche einforderte und England in Wembley 2:1 schlug, war es glücklicherweise schon Sommer 1977, und ich durfte wieder nach Großbritannien reisen. Dieser glorreiche Sieg über den Erzfeind auf seinem eigenen Rasen brachte Tausende von Schottland-Fans dazu, nach dem Spiel über die Banden zu klettern und aufs Spielfeld zu strömen. Berühmt-berüchtigt wurde der Vorfall, als ein Fan namens Alex Torrance dabei gefilmt wurde, wie er die Latte erklomm und kurz rittlings darauf saß, bis sie brach, was eine ernsthafte Mediendebatte auslöste, ob es sich hierbei um absolut vertretbare Euphorie oder unverhohlenes Hooligantum gehandelt habe. Ich persönlich hielt es für Euphorie, aber das sage ich als jemand, der sich im fraglichen Augenblick selbst auf dem Wembley-Rasen befand.
Als nach dem Abpfiff alle losstürmten, sagte ich zu meinem Dad: »Ich gehe mit.« Daraufhin er: »Das tust du nicht.« Zu spät. Am Spielfeldrand hielt mich ein Polizist auf. Ich schob meine Mütze ein Stück zurück, um mein Gesicht zu zeigen. Der Polizist sah mich etwas genauer an und meinte: »Ach, Sie sind das. Na, dann laufen Sie mal weiter.« Also lief ich weiter.
Es war großartig, den sagenumwobenen Rasen unter seinen Füßen zu spüren, obwohl es zugegebenermaßen nicht mehr viel zu tun gab, wenn man einmal drauf war, außer vielleicht mit ein paar Typen auf und ab zu hüpfen, die vermutlich noch betrunkener waren als man selbst. Mitten im Sprung merkte ich jedenfalls, wie mich jemand packte und hochhob, und plötzlich wurde ich von irgendwem im Siegestaumel auf den Schultern getragen. Einfach bewegend.
Zurück auf der Tribüne wollte ich nachsehen, wie spät es war; mein Blick fiel auf mein nacktes Handgelenk, wo sich eigentlich meine Cartier-Uhr hätte befinden sollen. Gestohlen! Kurz darauf meldete sich allerdings ein netter Herr aus Edinburgh, weil er glaubte, meine Uhr zu haben. Und er hatte sie tatsächlich. Ich bekam sie in einwandfreiem Zustand zurück, wir verloren kein Wort mehr über die Angelegenheit. Das ist das Großartige an den schottischen Fußballfans: Sie sind einfach die besten der Welt. Und selbst wenn sie unehrlich sind, ist das nicht von Dauer.
Andere Fans kamen an dem Tag nicht so glimpflich davon. Gegen einige wurden Klagen erhoben, weil sie Rasenstückchen als Souvenir herausgerissen hatten. Aber um es mit den wunderbaren Worten eines der Grasdiebe bei seiner Gerichtsverhandlung zu sagen: »Ihr habt keinen Verein, also braucht ihr auch keinen Rasen.« Bis in die frühen Neunziger spielte ich so oft ich konnte für die Exiles, bis mein Alter mich einholte und ich mir eine Mannschaft in einer älteren Liga suchen musste. Und während all dieser Jahre kann ich mich an kein einziges Mal erinnern, bei dem ich aufgrund meiner Person oder einfach aus Spaß an der Freude von einem Gegner vermöbelt worden wäre. Das passierte mir überhaupt nur einmal, noch im guten alten England, auf dem Platz am Highgate Wood, ungefähr 1971, als ich gerade berühmt wurde. Bei einem Eckstoß krachte ein Typ in mich rein, verpasste mir einen heftigen Schlag mit dem Ellbogen, ließ mich mit dem Gesicht nach unten im Matsch liegen und sagte: »Du solltest lieber bei deiner beschissenen Singerei bleiben.« Im
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