ROD - Die Autobiografie
Niveau, manche hatten sogar eine Karriere in der Major Soccer League vor sich, aber Lionel lockte sie mit einem ganz einfachen Mittel: Er bezahlte sie. Aus der eigenen Tasche wohlgemerkt. Auflauf-, Sieg- und Torprämien – alles, was eben nötig war. In einer Saison hatte Lionel nach eigenen Schätzungen 30 000 Dollar in die Gehälter der Exiles gesteckt.
Ordnungsgemäß lieferte die Mannschaft erste Erfolge ab und erreichte das Halbfinale des US National Cup in New York. Ich konnte nicht mitspielen, weil ich am Abend vorher einen Gig in Atlanta hatte, aber ich flog am nächsten Morgen die Küste hoch und kam beinahe pünktlich zur Halbzeit. Das Spiel gegen eine Mannschaft erschreckend konzentrierter griechischer Auswanderer stand 1:1, und noch war alles drin. Leider hatte ich zwei befreundete Stripperinnen aus dem sagenumwobenen Atlanta Gold Club, in dem meine Band und ich damals nach den Konzerten gern verkehrten, mitgebracht, die zusammen mit mir die Spannung eines solch wichtigen Spieles erleben sollten. Obwohl es ihr freier Tag war, trug keine der Frauen übermäßig viel – vor allem nicht, was ihre Röcke anging. Die Exiles fielen hoffnungslos abgelenkt 1:4 zurück, handelten sich zwei Platzverweise ein und brachten damit den ruhmreichen Kampf um den Pokal zu einem vorzeitigen Ende. Ich gebe mir noch immer die Schuld dafür.
Andererseits: Was konnten wir uns aber auch ernst nehmen! Ich hatte von diesen Vitamin-B-12-Spritzen gehört, die einem unglaublich viel Energie verleihen sollten. Also engagierte ich einen Arzt, der vor den Spielen anrückte und sie der gesamten Mannschaft verpasste. Ein denkwürdiges Bild: Die Mannschaft stand aufgereiht mit heruntergelassenen Hosen da, während der Arzt mit seiner Spritze von einem Hintern zum nächsten ging. Machte es einen Unterschied? Nicht im Geringsten. Aber wenn die Möglichkeit besteht, das entscheidende eine Prozent mehr Leistung zu erreichen, muss man eben herumexperimentieren.
Abgesehen davon wurde die Fitness nach den Spielen eher stiefmütterlich behandelt. Es wurde im großen Stil auf Siege wie auf Niederlagen angestoßen, und als Folge der Trinkgelage nach den Exiles-Spielen wurde über die Jahre so manches Teammitglied wegen Trunkenheit am Steuer angehalten. Der Lieblingscocktail der Mannschaft nach dem Spiel war der Mudslide: Wodka, Kaffeelikör und Baileys. Wir stellten die Drinks in einer langen Reihe auf die Bar, und niemand durfte sie anrühren, bis sie durch den Gesang der offiziellen Mudslides-Hymne gesegnet worden waren: »Mudslides, Mudslides …«, zur Melodie von »Amazing Grace«. Außerdem wurde jede Gelegenheit, uns bei einem Abendessen selbst zu feiern, beim Schopf gepackt – am besten im Smoking und fast immer bei mir zu Hause am Carolwood Drive, mit Pokalen, Ansprachen und allem Drum und Dran.
Die Exiles waren extrem, draufgängerisch, verblendet, besessen bis wahnhaft und in meinen Augen neben dem Sonnenschein das Beste, was das Leben in L.A. zu bieten hatte.
Die zweite große Bereicherung, die ich Lionel verdankte – und die ebenfalls keinen geringen Anteil an meiner völligen Assimilation in Amerika hatte –, war der Zugang zu englischem Fußball im Fernsehen. Lionel besaß eine der ersten Satellitenanlagen, inklusive einer lächerlich großen Schüssel mit nahezu drei Meter Durchmesser in seinem Garten. Dieses riesige Metallteil sah aus, als könne er damit Kontakt zum Mars aufnehmen, empfing jedoch in Wirklichkeit Fußballspiele aus England. Eigentlich war es für Bars gedacht, aber Lionel war es irgendwie gelungen, sich so ein Ding für den Heimbedarf zu beschaffen, und ich brachte ihn dazu, mir ebenfalls eines zu besorgen. Ich glaube, das Signal wurde von London nach Irland, von Irland nach Kanada und von Kanada nach Los Angeles übertragen, und bei jedem dritten Spiel wurde diese Kette irgendwo auf dem Weg unterbrochen, das Bild verschwand – und Lionel und ich tauschten frustrierte Anrufe aus: »Geht’s bei dir?« »Nein, bei dir?«
Heutzutage läuft mehr englischer Fußball im amerikanischen Fernsehen als im englischen. Doch als ich hierherkam, lief überhaupt nichts. Anfangs rief ich während der wichtigen Partien meinen Dad in London an, um auf dem Laufenden zu bleiben. Er platzierte den Telefonhörer daraufhin sorgfältig neben dem Radio, das den Fußballkommentar übertrug. Diese Methode führte natürlich zu besorgniserregend hohen Telefonrechnungen. Gerade weil die Telefonrechnungen jedoch so besorgniserregend
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