ROD - Die Autobiografie
jedoch war die Bude unschlagbar. Am Ende eines langen Abends konnte man hier immer mal reinschauen und eine Menge Leute treffen, die meist unten im Studio rumhingen, ein bisschen jammten, anderen dabei zusahen oder Ronnie bei einer Aufnahme halfen. Man konnte Pete Townshend über den Weg laufen oder Keith Richards (der zeitweise in dem Cottage auf Ronnies Grundstück wohnte, obwohl er natürlich sein eigenes Anwesen besaß), manchmal auch Paul McCartney. Ich erinnere mich noch gut an das Gefühl, aus dem Studio nach oben zu klettern und überrascht festzustellen, dass es draußen schon hell geworden war – jedes Mal eine ziemlich deprimierende Erfahrung. An einem Abend im Studio klopfte Mick Jagger – mit Zustimmung von Bianca, vermute ich mal – vorsichtig an, ob Dee und ich nicht vielleicht Interesse an einem kleinen Partnertausch hätten. Nun, es ist ja nett, wenn man gefragt wird und andere an einen denken … Die Antwort war ein glasklares Nein. Partnertausch war nie mein Ding – und das von Dee schon gar nicht.
Genau genommen war das Wick ganz grundsätzlich nicht Dees Ding. Das Haus war immer voll von Leuten, die über Gott und die Welt schwadronierten und dabei allen möglichen Schwachsinn verzapften. Es war ja ganz lustig, wenn man selbst mittendrin steckte, aber Dee blieb ein Fremdkörper, weil sie sich an diesem seltsamen Ort einfach nicht wohlfühlte. Manchmal sah ich sie irgendwo im Zimmer und schaute in das Gesicht einer Frau, die sich nichts sehnlicher wünschte, als vom Boden verschluckt zu werden. Es war einfach nicht der Ort, an dem sie ihre Zeit verbringen wollte.
Und da gleichzeitig mein berufliches Leben immer hektischer wurde und ein größeres Maß an Organisation verlangte, begann die Privatsphäre von Cranbourne Court langsam zu bröckeln – sehr zu Dees Leidwesen. Der Druck wuchs. Mehr Entscheidungen mussten getroffen werden, und immer mehr Leute kümmerten sich darum, mein Leben zu organisieren. Eine Person, die regelmäßig in meinem Umfeld aufkreuzte – und mit der Dee stets ihre Probleme hatte –, war ein Mann mit dem treffenden Namen Tony Toon, der in diesen Jahren als mein persönlicher Assistent und Presseagent fungierte. Tony trug eine verschlissene Cordjacke, labbrige Hosen und sah aus wie einer der heruntergekommenen Schreiberlinge aus der Fleet Street. Er hatte kaum Fleisch auf den Knochen, dafür eine ausgewachsene Glatze und paffte nonstop an einer Zigarette, die er possierlich in seinen Fingern hielt. Wir nannten ihn Fag Ash Lil. Er war affektiert, sarkastisch, zotig und unverbesserlich. Wenn wir in einem Restaurant saßen, pflegte er nach dem Essen immer zu sagen: »Und jetzt hätte ich gerne einen großen Amaretto und ein richtiges Mannsbild zum Nachtisch.« Es gab Leute, die seine Witze – überhaupt seine Anwesenheit – nicht gerade schätzten, aber ich war gerne mit ihm zusammen. Mit ihm gab’s immer viel zu lachen.
Er war auch ein Genie, wenn es darum ging, sich die tollsten Geschichten aus den Fingern zu saugen. Grob gesagt, gibt es zwei Kategorien von Presseagenten: Die einen versuchen, ihre Klienten möglichst aus den Klatschspalten zu halten, die Journalisten auf eine falsche Fährte zu lenken und jedwedes PR-Problem im Keim zu ersticken. Die anderen wollen so viele Schlagzeilen wie möglich und haben auch keine Hemmungen, die Presse genüsslich hinters Licht zu führen. Tony gehörte definitiv der zweiten Kategorie an. Sein beruflicher Ehrgeiz ging so weit, dass er mich in die Zeitung brachte, ob ich nun wollte oder nicht – selbst wenn mich die Story ärgerte oder sogar meinen oder den Ruf meiner Freunde beschädigte. Wenn er die Möglichkeit sah, aus ein paar Krümeln eine fette Story zu bauen, nahm er sie unweigerlich wahr.
Einmal traf ich in einem New Yorker Hotel zufällig Bianca Jagger. Wir flirteten ein wenig in der Lobby – und ein paar Tage später las ich in der Zeitung, dass wir beide kurz davorstünden, uns eine gemeinsame Wohnung zu suchen.
Der Klassiker unter den Toon-Lügenmärchen war die unglückliche Liebesaffäre, die ich angeblich mit der Tochter von Präsident Gerald Ford hatte. Es traf zu, dass Susan Ford 1975 ein Faces-Konzert in Washington besuchte. Sie war achtzehn Jahre alt, hatte lange blonde Jahre und sah hinreißend aus. Es stimmte auch, dass sie damals – umringt von einem Heer von Security-Leuten – zu uns in den Backstage-Bereich kam.
Aus diesen mageren Bröckchen schuf Tony nun eine endlose Saga, mit der er eine
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