Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Römer im Schatten der Geschichte

Römer im Schatten der Geschichte

Titel: Römer im Schatten der Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Knapp
Vom Netzwerk:
Ehefrau könnte Lesbierin sein. Artemidor denkt großzügiger als der Autor des
Carmen
. Die Ehefrau sollte sich zwar unterwerfen – »Wie nun der Mann beim Verkehr nach Aphrodites Gesetz ganz und gar Herr über den Körper der Beischläferin ist« (
Traumbuch
1,79) –, aber auch sie hat das Recht, den Liebesakt zu genießen: »Seiner eigenen Frau beizuwohnen, wenn sie einwilligt, dazu Lust hat und sich gegen den Verkehr nicht sträubt, ist für alle ohne Ausnahme gut.« Es ist aber durchaus möglich, dass die Ehefrau nur »mit gewissem Widerstand« nachgibt – und das gilt nicht als gut (1,78). Im Geschlechtsverkehr mit der Ehefrau wird die Stellung »Leib an Leib« als »der natürlichen Ordnung« entsprechend bezeichnet (1,79); als weitere Positionen werden genannt:
a tergo
und im Stehen (»nur Leute, die weder Bett noch Matratze besitzen, sind auf diese Stellung angewiesen«), die Variante, bei der die Frau kniet oder liegt, und die Reitstellung. Alle Positionen außer der »natürlichen« wurden »aus Übermut, Zügellosigkeit und Unbeherrschtheit ersonnen« (1,79). Die Sicht der Frau gilt dabei als nebensächlich. Erwünscht ist also eine Ehe, in der beide Partner treu sind und die Frau in der sexuellen Beziehung passiv und verhalten bleibt – nicht »die Hure spielt«.
    Des Weiteren wurde befürchtet, die Ehe könne böse enden, sogar mit einem Mord, etwa wenn eine Frau ihren Mann vergiftet. Vielfach werden profanere Möglichkeiten des Scheiterns, die Scheidung oder das Verlassen des Partners, erwähnt. Dass eine Frau das Haus ihres Ehemanns verlässt, ist ein häufiges astrologisches Szenario, kann also wohl als allgemeineBefürchtung gelten. Dasselbe gilt für die Scheidung. Vermutlich verband sich mit dieser Sorge der Gedanke an den Verlust der Mitgift, die im Besitz der Frau blieb. Eine Mitgift war üblich.
    Die Summe einer erfolgreichen Ehe scheinen Kinder zu sein. Grund zur Sorge sind Horoskopen zufolge Unfruchtbarkeit, die Zahl der Kinder und die Frage, ob es »gute Kinder« werden. Männliche Nachkommen werden bevorzugt; in Träumen »sind Knaben von guter, Mädchen von übler Vorbedeutung« (
Traumbuch
4,10), aber es gibt keinen Hinweis auf Kindsmord, Abtreibung oder Verhütung. In der Tat ist es ein großes Leid und Missgeschick, keine oder nur wenige Kinder zu haben.
    Die Kinder unterstehen der uneingeschränkten Kontrolle des Vaters. Die Beziehung kann gut oder schlecht sein, erwartet wird, dass sie gut ist und dass die Eltern für eine angemessene Erziehung und für das spätere Erbe der Kinder sorgen. Die Beziehungen zwischen den Generationen sind oft angespannt – die Eltern befürchten, dass die Kinder elterliches Eigentum und Kapital verschwenden und dass nichts aus ihnen wird. Man ist besorgt um die Kinder und um ihre Entwicklung, besonders um die der Knaben. Auch hier zeigt die Streitsucht ihr hässliches Gesicht – Kinder geraten leicht in Streit, mit misslichen Folgen für die Familie. Über die Kernfamilie hinaus, auf die sich die Zeugnisse offenbar sämtlich beziehen, und bis hinein in die Großfamilie ist Zank ein Thema. So entsteht der Eindruck, dass die Familie des gewöhnlichen Römers ein Ort der Auseinandersetzung war.
    Oben war von der Rolle der Sexualität in der Ehe die Rede, aber die sexuelle Aktivität des gewöhnlichen Mannes muss noch unter einem allgemeineren Gesichtspunkt betrachtet werden. Zum männlichen Sexualleben gehörte der Geschlechtsverkehr mit der Ehefrau zum Zweck der Reproduktion. Andere Aspekte sind dagegen schwieriger zu fassen. Die Quellen aus dem Kreis der Elite, vor allem Ovid, Martial und Juvenal, aber auch Schriften von Historikern, Rednern und Literaten fast jeglicher Art enthalten Material zum männlichen Sexualleben. Im Detail komplizierter, war das dominierende Männlichkeitsethos der Elite, in dem Herrschaft als Wert und Unterwerfung als Schande galt, grundsätzlich dadurch bestimmt, dass jeder Geschlechtsverkehr, ob homo- oder heterosexuell, als spezifische Spielart von Macht und Unterwerfung betrachtet wurde. Ob ein bestimmter Sexualakt akzeptabel war oder nicht, hing also wenigervom physiologischen Vorgang des Aktes selbst ab als von den Beteiligten und von der Rolle, die der Einzelne darin spielte. Man berücksichtigte die Akteure (männlich? weiblich?), ihren Status (Sklaven? Freie?), ihren Familienstand (unverheiratet? verheiratet?), die ökonomischen Gegebenheiten (bezahlt? gratis?), die biologische Absicht (zur Fortpflanzung?) und

Weitere Kostenlose Bücher