Römer im Schatten der Geschichte
für männliche Eroberungslust stehen. Ein Beispiel: »Vibius Restitutus hat hier allein geschlafen, und seine Urbana hat er vermisst« (
CIL
IV 2146/Hunink, Nr. 672) – aber wenn im Folgenden derselbe Restitutus spricht, sehnte er sich nicht nur nach Urbana: »Restitutus hat viele Mädchen oft getäuscht« (
CIL
IV 5251/Hunink, Nr. 932). Was immer junge Burschen an die Wände schrieben, die Ehe war zu wichtig, um sie romantischen Launen auszuliefern; der Weiterbestand der Familie und das Eigentum standen auf dem Spiel, sogar in armen Familien und beim einfachen Volk gewiss.
In Sprichwörtern und anderen Beispielen aus der volkstümlichen Literatur wird an Frauen prinzipiell die Erwartung gerichtet, der Mittelpunkt der Familie zu sein, und ihnen wird jede Rolle außerhalb des Hauses verwehrt (sie werden zum Beispiel als unsoldatisch verlacht). Tatsächlich aber konnte die Ehe für beide Gatten ein breites Spektrum an Erfahrungen umfassen. Das Ideal war ein Leben ohne Konflikte, ohne jeden Streit, wie es auf Grabsteinen wieder und wieder bezeugt ist. So auch in dieser Inschrift:
Diesen Grabstein errichtete Gaius Aonius Vitalis für Atilia Maximina, sie, des reinsten Geistes, eine unvergleichliche Ehefrau, die 18 Jahre, 2 Monate und 9 Tage ohne jeden Streit mit mir lebte; sie lebte 46 Jahre und führte ein Leben der Ehre und des guten Namens, mein immerwährender Trost. Leb wohl. (
CIL
V 3496 =
ILS
8457, Verona)
Oder in der folgenden:
Pompullius Antiochus, ihr Ehemann, errichtete diesen Grabstein für Caecilia Festiva, seine geliebte, süße Gattin, hart arbeitend und verdienstvoll, die 21 Jahre ohne ein Wort des Widerspruchs mit mir lebte. (
CIL
IX 3215 =
ILS
8433, Corfinio, Italien)
Ein Heiratsvertrag aus Ägypten bezeugt Monogamie beider Partner, Respekt und geteilte Verantwortung. Im Idealfall also war die Grundlage der Ehe wenn nicht Liebe, so doch Respekt, Partnerschaftlichkeit und Treue. Faktisch aber stand das Eheleben häufig unter einem schlechten Stern: Nach Artemidor kündigen sich »Aufregungen und üble Nachrede« an, wenn ein Mann von der Ehe träumt, »denn ohne Wirrwarr geht es bei keiner Hochzeit aus« (
Traumbuch
2,65). Dieselbe Einschätzung geht aus dem
Carmen
hervor; in Horoskopen des Dorotheos von Sidon werden Dinge vorausgesagt wie die Heirat eines Mannes mit einer angenehmen Frau, Freude für den Vater eines Kindes oder umgekehrt »Unheil und Schande durch Frauen und kummervolle Ängste ihretwegen«. Oder die Ehefrau wird sich als Hure erweisen, oder ein Zeichen »deutet auf Böses in der Ehe von Männern und Frauen, so dass sich sein Leben wegen der Frauen in einem Kreis von Kummer und Elend bewegt …« (
Carmen
2,1).
Trotz offenkundiger Dominanz des Mannes in der Ehe war die Frau aktive Partnerin und ließ sich nicht in den Hintergrund drängen. Vorrangig hatte sie für den Haushalt zu sorgen, Nahrung und Kleider eingeschlossen, und die Kinder aufzuziehen. Diese Erwartung wird von den ersten Christen übernommen. Wie um 200 n. Chr. der heilige Clemens festhält, ist eine Frau »bestimmt für die Schwangerschaft und die Haushaltung« (
Stromateis
4,8,58,2 – 60,1 [Rowlandson, Nr. 51]). Doch wurden an eine Ehefrau noch zahlreiche weitere Erwartungen gestellt. Vor allem hatte sie gewisse Grundsätze hochzuhalten. Im
Amphitryon
lässt Plautus Alkmene sagen:
Nicht eracht ich das für meine Mitgift, was sonst Mitgift heißt, / Sondern Sittsamkeit und Scham und eine mäßige Begier, / Götterfurcht und Elternliebe und Familien einig, / Um gefällig dir, den Guten mild, den Braven zu Nutz zu sein.
Sosia: Meiner Treu, sagt sie die Wahrheit, ist sie die Vorzüglichste! (
Amphitryon
839 – 843)
Sieht man von Übertreibungen im Dienst der komödiantischen Wirkung ab, entspricht dieses Porträt im Wesentlichen dem Bild der Frau, das die Grabinschriften vermitteln. Allem voran wird die Keuschheit gepriesen. Die folgende römische Inschrift steht für zahlreiche weitere Zeugnisse, in denen der hohe Wert der moralischen Rechtschaffenheit einer Ehefrau beschworen wird.
Titus Flavius Flavianus errichtete dieses Grabmal für Papinia Felicitas, die 25 Jahre, 5 Monate und 25 Tage lebte. Sie war eine höchst tugendhafte und keusche Gattin, unvergleichlich unter den Frauen. (
CIL
VI 23 773 =
ILS
8441, Rom)
Oder die folgende aus Nordafrika:
(Sie [Postumia Matronilla] war) eine unvergleichliche Gattin, gute Mutter, überaus liebevolle Großmutter, züchtig,
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