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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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sie!«
    Hinter den schweren
Vorhängen vor der Tür vernahm ich das Gemurmel und
Schlurfen der im Flur versammelten Sklaven. Ich starrte auf
Chrysis’ sich stumm bewegende Lippen und wußte kaum,
was ich sah, bis ich wieder zu Sinnen kam. Ich ging auf die
Tür zu und schob den Vorhang beiseite.
    Die Sklaven im Flur
zerstreuten sich und scharten sich hinter mir wieder zusammen wie
gluckende Hennen. Als ich den Flur hinunterging, kam mir eine
Gestalt entgegen und ging mit langen, eiligen Schritten an mir
vorbei in Clodias Zimmer. Es war Barnabas, der Sklave, der eine
Lederpeitsche in Händen hielt. Er starrte stur geradeaus, die
Zähne leicht zusammengebissen. Sein Gesicht war vollkommen
reglos, nur in
seinen Augen sah ich eine eigenartige Mischung aus Entschlossenheit
und Furcht.
    *
    Zuhause traf ich
Bethesda, auf der Suche nach passender Garderobe für Clodias
Fest, bei der Inspektion ihres Kleiderschrankes an. »Was
meinst du, die blaue oder die grüne Stola? Und als Halskette -
die Perlen aus Karneol oder die Lapislazuli, die du mir letztes
Jahr geschenkt hast?«
    »Ich
fürchte, es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß das Fest
überhaupt stattfinden wird.«
    »Aber warum
nicht?«
    »Clodia ist
krank.« Zu erklären, was gerade in Clodias Haus
vorgefallen war, überstieg meine Kräfte.
    »Vielleicht
fühlt sie sich morgen besser«, meinte Bethesda
stirnrunzelnd.
    »Vielleicht. Wir
werden sehen, ob sie morgen früh zum Prozeß
erscheint.«
    »Richtig, der
Prozeß! Den wird sie auf keinen Fall verpassen. Sie muß
sich einfach besser fühlen, und dann wird sie am Ende auch ihr
Fest geben. Sie hat schon so viel dafür
vorbereitet.«
    »Für den
Prozeß?«
    »Für das
Fest, du Dummkopf.«
    Ich nickte.
»Noch immer keine Nachricht von Eco?«
    »Nichts.«
    Plötzlich fiel
mir ein, daß ich das Döschen mit dem »Haar der
Gorgonen« vergessen hatte, das ich mir von Clodia hatte
ausleihen wollen, um es mit dem Gift in meiner Schatulle zu
vergleichen. Doch ich verspürte kein Verlangen, noch einmal zu
ihr zurückzukehren, und vergaß es für den
Augenblick völlig.

20
    Bethesda war offenbar
prophetisch veranlagt. Denn als wir am Morgen zum Forum gingen, um
den Prozeß zu verfolgen, saß Clodia schon inmitten
eines großen Gefolges auf dem breiten Platz vor der Rostra in
der zweiten Reihe hinter den Anklägern. Sie war blaß,
und ihre Augen waren ruhelos, doch das Schlimmste war anscheinend
überstanden. Sie blickte in unsere Richtung und brachte ein
schwaches Lächeln zustande - das allerdings nicht mir galt,
wie ich erkennen mußte, sondern Bethesda, die nickte und das
Lächeln erwiderte. Für mich hatte Clodia kein
Lächeln, sondern nur eine hochgezogene Braue übrig, als
ob sie mich fragen wollte, ob ich irgendwelche neuen Informationen
für sie hätte. Ich schürzte die Lippen und
schüttelte den Kopf. Eco war noch immer nicht
zurückgekehrt, und in keinem meiner Netze hatte sich ein Fisch
verfangen.
    Es war der Vortag der
Feierlichkeiten zu Ehren der Großen Mutter. Sechs Tage lang
würde Rom sie mit Spielen und Wettkämpfen, Prozessionen
und Theateraufführungen, Privatfesten und öffentlichen
Zeremonien begehen. Nach den Feiern würde der Senat noch
einmal kurz Zusammenkommen, bevor die Senatoren den traditionellen
Aprilis-Urlaub auf ihren Landsitzen an traten. Danach würde
das öffentliche Leben Roms zum Erliegen kommen - wie eine
Windmühle, deren Flügel urplötzlich angehalten
werden. Am Tag davor herrschte auf dem Forum eine Stimmung, in der
sich Hektik und Muße vermischten - hastige Eile, um noch ein
letztes Geschäft zu erledigen, verbunden mit der Vorfreude auf
die kommenden Tage des Müßiggangs und
Vergnügens.
    Diese Stimmung
nervöser Erwartung wurde durch die vor einem großen
Prozeß üblicherweise angespannte Atmosphäre noch
verstärkt, einem Prozeß zumal, der einen so
aufsehenerregenden Skandal versprach wie dieser. Weil kein anderes
römisches Gericht tagte, waren sämtliche
Anwälte Roms zugegen, und da es in
jüngster Zeit so erregte Debatten über die
ägyptische Situation und Dios Tod gegeben hatte, war auch fast
der gesamte Senat erschienen. Wer klug und vorausschauend genug
gewesen war, hatte bei Anbruch der Dämmerung Sklaven mit
Klappstühlen zum Forum geschickt, um sich einen Platz zu
sichern; und genau aus diesem Grund hatte ich auch Belbo
losgeschickt. Ich ließ meinen Blick über die dicht
gedrängten Reihen wandern und sah ihn von einem exzellenten
Platz direkt hinter den Bänken der

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