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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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des Gesetzes gerade eben ein Mann. Aber
bei römischen Richtern, die schon zu viele Reden gehört
haben, um sich von falscher Empörung oder ermüdendem
Gepolter beeindrucken zu lassen, kann jugendliche Leidenschaft
einiges bewirken, egal, wie erfahren ein Anwalt ist. Das Interesse
des jungen Atratinus an der Anklage gegen Caelius war die
Fortsetzung einer Familienfehde; Atratinus’ Vater Bestia war
derjenige, über den Caelius sein berüchtigtes Wortspiel
mit dem »schuldigen Finger« geprägt hatte. In den
Augen eines römischen Gerichtes, wo Loyalität
gegenüber dem Vater noch etwas bedeutet, war Atratinus’
Bemühen, Caelius zu vernichten, ein Akt der Tugend.
    Atratinus wurde von
seinen beiden Mitanklägern flankiert, über die ich nur
wenig wußte. Lucius Herennius Balbus war ein Freund Bestias
und mir nur vom Sehen bekannt. Ich hatte nie eine Rede von ihm
gehört, doch der Anblick seines wohlgenährten, auf dem
Forum hin und her eilenden Körpers (wie ein riesiges Ei in
einer Toga, hatte Eco einmal gefrotzelt) war mir im Gedächtnis
geblieben. Der dritte Ankläger war Publius Clodius - nicht
Clodias Bruder, sondern ein von diesem Freigelassener, weshalb
auch er den Namen seines ehemaligen Herrn trug; so waren die
Clodier zwar namentlich, aber nicht persönlich unter den
Anklägern vertreten, was ihnen zweifellos lieber
war.
    Gnaeus Domitius, der
Vorsitzende Richter, bestieg seinen Richterstuhl, die übrigen
Richter wurden vereidigt, und der Prozeß begann mit der
Verlesung der Anklageschrift.
    Insgesamt wurden
Caelius fünf Vergehen vorgeworfen. Die ersten vier behandelten
die gewaltsamen Übergriffe auf die ausländischen
Würdenträger, die als Personen sakrosankt waren; Gewalt
gegen sie war, streng genommen, Gewalt gegen ihre Schutzmacht, den
römischen Staat also, woraus die Anklage den Vorwurf des
politischen Terrorismus abgeleitet hatte. Die Anklagepunkte waren
gravierend: Marcus Caelius wurde beschuldigt, die Angriffe in
Neapolis organisiert zu haben, um die soeben eingetroffene
alexandrinische Gesandtschaft einzuschüchtern; weiter legte
man ihm zur Last, den Aufruhr gegen die Delegation in Puteoli
angestiftet und den Brandanschlag auf den Besitz von Palla begangen
zu haben, wo die Gesandtschaft auf dem Weg nach Rom
übernachtet hatte; schließlich einen vereitelten
Giftanschlag auf Dio, den Leiter der Delegation, unternommen und
anschließend als Mittäter an seiner Ermordung
teilgenommen zu haben.
    Diesen Anschuldigungen
wurde ein weiterer, neuer Vorwurf hinzugefügt: Caelius hatte
angeblich versucht, Clodia zu vergiften. Viele Zuschauer zeigten
sich überrascht, so auch Bethesda.
    »Wovon reden sie
da?« flüsterte sie.
    Ich zuckte die
Schultern und versuchte, unwissend auszusehen.
    »Du hast mir
erzählt, sie wäre krank, von Gift hast du nichts
gesagt!«
    Ich legte meinen
Finger auf die Lippen und wies mit dem Kopf auf die
Verteidigerbank, wo Crassus sich erhoben hatte, um eine
Erklärung abzugeben. »Der Vorsitzende Richter und seine Kollegen seien
darauf hingewiesen, daß der letzte Anklagepunkt neu ist und
von der Anklage erst gestern erhoben wurde. Damit wurde der
Verteidigung nicht die übliche Vorbereitungszeit für die
Entgegnung auf einen derart gravierenden Vorwurf eingeräumt.
Deswegen könnten wir der Aufnahme dieses Anklagepunktes mit
allem Recht widersprechen und sogar darauf bestehen, daß er
ausgeklammert und in einem getrennten Verfahren verhandelt wird,
oder andernfalls die Verschiebung des gesamten Prozesses verlangen.
Eingedenk der Tatsache, daß dieses Gericht
ausschließlich zur Verhandlung von Fällen politisch
motivierter Gewalt Zusammentritt, scheint es kaum angemessen, den
Anklagepunkt der versuchten Vergiftung einer Privatperson
aufzunehmen. Da jedoch die Anklage offenbar der Ansicht ist,
daß dieser Vorwurf im Zusammenhang mit den anderen
Anklagepunkten steht und mein geschätzter Freund und Kollege
Marcus Cicero mir versichert hat, daß er sehr wohl darauf
vorbereitet ist, unseren Mandanten gegen den neuen Vorwurf zu
verteidigen, erheben wir keinen Einspruch gegen die Aufnahme dieses
Punktes.«
    Crassus nickte dem
Vorsitzenden und den Richtern bedeutsam zu und nahm wieder Platz.
Auf Ciceros Lippen sah ich die Andeutung eines kaum verhohlenen
Grinsens. War es möglich, daß ihn die Aufnahme des neuen
Anklagepunktes insgeheim freute? Welche Taschenspielertricks hatte
er sich diesmal ausgedacht?
    Nachdem die
Formalitäten abgehandelt waren, konnte der eigentliche
Prozeß

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