Römischer Lorbeer
gut siebzig Richter winken.
Wir bahnten uns einen Weg durch die Menge. Bevor Belbo sich unter
die Gaffer und Müßiggänger mischte, die sich am
Rand des Forums versammelt hatten, trug ich ihm auf, die Augen nach
Eco offenzuhalten, der ja immer noch im letzten Moment auftauchen
konnte.
Vor den
Richterbänken erstreckte sich die Fläche, von der aus die
Anwälte ihre Reden halten würden. Links saßen die
Ankläger mit ihren Assistenten und Zeugen. Und dort saß
auch Clodia. Neben ihr hatte Barnabas Platz genommen, in seiner
Nähe erkannte ich »Flinkfinger« Vibennius und
diverse andere Beteiligte der erfolglosen Jagd in den Bädern
des Senia.
Zu unserer Rechten,
den Anklägern direkt gegenüber, stand die Bank des
Angeklagten, der von seinem Anwalt, seiner Familie sowie
Anhängern und Leumundszeugen begleitet wurde. Die Eltern von
Marcus Caelius trugen Schwarz, als ob sie in Trauer wären. Die
Augen seiner Mutter waren gerötet und verquollen, ihre Wangen
feucht von Tränen; sein Vater trug weiße Stoppeln am
Kinn, sein Haar wirkte ungepflegt, ein Mann, der vor Sorge
halbverrückt war. Wenn die Eltern eines Angeklagten vor
Gericht erscheinen, sehen sie immer so aus. Wenn Caelius Kinder
gehabt hätte, hätten sie weinend in Lumpen daneben
gestanden. Der Einsatz derartiger Mittel reichte schon so lange
zurück, daß es sich kein Anwalt erlauben konnte, die
Familie eines Mandanten in einem anderen als einem zutiefst
erbarmungswürdigen Aufzug erscheinen zu lassen.
Neben Caelius
saßen seine beiden Anwälte. Cicero wirkte schlanker und
wacher als bei unserer letzten Begegnung; das bittere Jahr im Exil
hatte Bauch und Hängebacken verschwinden lassen und seinen
Augen einen feinen Glanz verliehen. Die feiste Selbstzufriedenheit,
die sich seiner nach seinem Konsulat und dem Triumph über
Catilina bemächtigt hatte, war verschwunden. Statt dessen
wirkte er gleichermaßen gehetzt und erwartungsvoll - gehetzt,
weil er die Erfahrung gemacht hatte, daß Rom sich in
bösartiger Weise gegen ihn wenden konnte, und erwartungsvoll,
weil er erfolgreich gegen seine Feinde zurückgeschlagen hatte
und wieder auf dem Weg nach oben war. Diese Erwartung in seinem
Blick erinnerte an den eigensinnigen jungen Anwalt, als den ich ihn
vor langer Zeit kennengelernt hatte, jedoch sein hartes Kinn und
die verbitterten schmalen Lippen zeugten davon, daß die Jahre
nicht spurlos an ihm vorübergegangen waren. Schon als junger
Mann war Cicero ehrgeizig, skrupellos und brillant gewesen - vor
Gericht ein gefährlicher Gegner. Und heute sah er
furchteinflößender aus denn
je.
Was Marcus Crassus
anging, so alterte der reichste Mann Roms seit einigen Jahren
scheinbar überhaupt nicht mehr. Er war ein paar Jahre
älter als ich, sah jedoch erheblich jünger aus. Einige
scherzten, er hätte einen Handel mit den Göttern gemacht,
ihn mit der Zeit nicht älter, sondern reicher werden zu
lassen. Wenn dem so war, stellte ihn dieses Geschäft offenbar
noch immer nicht zufrieden; er sah so streng und
mißvergnügt aus wie eh und je. Crassus war ein Mann, der
nach eigenen Maßstäben nie erfolgreich genug sein
konnte. Diese Rastlosigkeit trieb ihn in den Arenen von Hochfinanz
und Politik von Triumph zu Triumph, wobei er ein Tempo vorgab, das
mitzuhalten seinen weniger talentierten Kollegen unmöglich war
- weswegen sie bitteren Groll gegen ihn
hegten.
Neben den beiden alten
Füchsen wirkte Marcus Caelius auffallend jung und frisch, fast
jungenhaft. Ausreichend Schlaf oder aber andere Mittelchen hatten
den Ausdruck des trägen Fatalismus ausradiert,
den ich in der geilen Kneipenwirtschaft in seinem Gesicht bemerkt
hatte. Caelius war schon immer ein Schauspieler gewesen, und zu
diesem Anlaß trat er nun mit geradezu unheimlicher
Präzision als die personifizierte Unschuld auf. Seine
Gerissenheit hatte ihm schon früher Probleme bereitet; in den
letzten Jahren hatte er sich weit von seinen Mentoren Crassus und
Cicero entfernt und sie beim Streben nach eigenem Glück
vielleicht sogar verraten. Es wäre durchaus verständlich
gewesen, wenn sie ihm jetzt den Rücken gekehrt hätten,
doch offenbar waren alle Differenzen ausgeräumt. Da
saßen sie, die drei Füchse, in einer Reihe
einträchtig nebeneinander.
Ich wandte den Blick
von der Verteidigung zur Anklage. Anklageführer war der junge
Lucius Sempronius Atratinus. Wenn Caelius neben seinen verwitterten
Advokaten frisch wirkte, sah Atratinus wie ein Kind aus. Er war
erst siebzehn, in den Augen
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