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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Tageslicht auf dem Forum
sicher sein würden. Eines Nachmittags machte sich eine Gruppe
von fünfzehn Männern unter Leitung meines
Akademie-Kollegen Onclepion auf den Weg, um Vorräte für
unsere Reise nach Rom zu besorgen. Aus dem Nichts wurden sie von
einer Gruppe kleiner Jungen angegriffen, die sie mit Steinen
bewarfen und mit Flüchen überschütteten. Als
Passanten nach dem Grund fragten, erklärten die Jungen, die
Alexandriner hätten die Ehre Pompeius’ und seiner
Truppen mit bösartigen Verleumdungen befleckt. Einige
Mitglieder aus Onclepions Gruppe versuchten die Jungen aus reinem
Selbsterhaltungstrieb durch Stoßen und Steinwürfe zu
vertreiben. Auf einmal schrie einer der Jungen auf, faßte
sich an den Kopf und sank in den Staub - mir erscheint es
wahrscheinlich, daß er diesen Zusammenbruch nur
vorgetäuscht hat, weil man ihn hinterher nirgends finden
konnte. Jedenfalls löste dieser Vorfall bei der versammelten
Menschenmenge eine Art Massenhysterie aus, und bald hatte sich ein
Pöbel aus erwachsenen Männern und Frauen zu den Jungen
gesellt, um die Alexandriner, die sich mit dem Rücken zur Wand
von drei Seiten umringt sahen, zu steinigen. Hast du je eine
Steinigung mit angesehen, Gordianus?« Dio zitterte, und der
kleine Galloi neben ihm zitterte aus Mitleid mit. »Dreizehn
Männer wurden an jenem Tag getötet, gesteinigt oder zu
Tode getrampelt. Nur Onclepion und ein Sklave konnten fliehen. Onclepion hob
den Sklaven auf die Mauer, und diesem gelang es, seinen Herrn nach
oben zu ziehen. Doch Onclepion ist auf einem Auge erblindet, und
sein Sklave hat mehrere Zähne verloren.
    Das war die Schande
von Puteoli. An jenem Abend verließen weitere Männer die
Delegation, so daß am Ende nur sechzig der ursprünglich
einhundert Mitglieder übrig waren. Ich hielt es für das
Beste, sich auf direktem Weg nach Rom zu begeben, bevor sich
weitere Zwischenfälle ereigneten. Die Reise war beschwerlich.
Die Ochsen, die wir gemietet hatten, um unsere Wagen zu ziehen,
sanken kurz hinter Capua auf die Knie, spuckten blutige Galle und
verendeten - zweifelsohne vergiftet, zumal sie alle innerhalb einer
Stunde starben. Weitere Mitglieder der Delegation verließen
uns.
    Auf halbem Weg nach
Rom machten wir unweit der Via Appia Station, um die Nacht auf
einem Anwesen zu verbringen, das meinem Bekannten Palla
gehört. Es ist ein Landhaus im Wald, gedacht für die
Wildschweinjagd, schlicht und ohne jeden Luxus, aber für eine
große Zahl von Besuchern eingerichtet. Palla selbst war nicht
da, er weilte in einer seiner Villen im Norden Roms, doch seine
Sklaven waren von unserem Besuch unterrichtet worden. Um uns alle
unterzubringen, stellten sie unsere Schlafsofas dicht nebeneinander
auf und blockierten die Flure, was sich fast als fatal erwiesen
hätte.   
    Es war ein Schrei
Onclepions, der mich in jener Nacht weckte. Zunächst glaubte
ich, er schreie vor Schmerz über sein erblindetes Auge. Dann
roch ich den Qualm. Nur dem Willen der Götter ist es zu
danken, daß in dieser Nacht niemand bei lebendigem Leibe
verbrannt ist, denn sämtliche Türen waren von außen
mit Handwagen versperrt, wie Sklaven sie benutzen, um Heugarben zu
bewegen. Das Haus füllte sich rasch mit Rauch. Im letzten
Moment gelang es uns, eine der Türen aufzubrechen. Der Wagen,
der sie blockierte, war mit schweren Steinen beladen! Irgendwie
konnten wir alle in den Wald entkommen, von wo aus wir zusahen, wie
das Haus in Flammen aufging. Ich habe noch nie solche
Angst     
    gelitten wie in jener
Nacht, weil ich erwartete, daß König Ptolemaios’
Lakaien jeden Moment aus dem Wald treten und uns die Wahl lassen
würden, zu Tode gehackt zu werden oder in das brennende Haus
zurückzukehren. Doch dieser Angriff fand nicht statt. Warum
sollte König Ptolemaios einen direkten Angriff riskieren, wenn
eine Handvoll Agenten ein Feuer legen und uns möglicherweise
alle auf einmal umbringen konnten? Vor allem, wenn ihnen jemand im
Haus half.«
    »Du glaubst
also, daß Ptolemaios Spione in der Delegation
hatte?«
    »Von Anfang an!
O ja, daran habe ich keinen Zweifel, sosehr es mich auch
beschämt, das zuzugeben. Wie hätten seine Leute sonst
wissen sollen, welche Häuser sie in Neapolis angreifen
mußten? Oder wann Onclepions Gruppe zum Markt aufbrach, damit
sie die kleinen jungen auf sie ansetzen konnten? Wie sonst
hätte jemand an jenem Morgen in Capua das Wasser im Trog
für die Ochsen vergiften können, ohne daß es jemand
bemerkte? König Ptolemaios hat

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