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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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bist wegen Dio gekommen«, begann
er.
    »Wie kommst du
darauf?«
    »Komm schon,
Gordianus. Ich kenne deinen Ruf. Außerdem weiß ich,
daß Bestias Sohn Marcus Caelius unter anderem des versuchten
Giftmordes an Dio angeklagt hat. Es bedarf kaum eines Philosophen,
den Grund deines Besuches in dem Haus zu erschließen, in dem
Dio gestorben ist. Ich weiß allerdings nicht, wer dich
geschickt hat - Bestias Junge für die Anklage oder Caelius
für seine Verteidigung.«
    »Keiner von
beiden, um ehrlich zu sein.«
    »Das ist in der
Tat rätselhaft.«
    »Offenbar nicht
für alle«, sagte ich und dachte an Lucceius’ Frau.
»Spielt es eine Rolle, wer mich geschickt hat, solange ich
die Wahrheit zu ergründen suche?«
    »Die meisten
Menschen haben irgendein verstecktes Eigeninteresse, selbst wenn
sie nach der Wahrheit streben. Rache, Erniedrigung, Macht

    »Gerechtigkeit.
Für Dio.«
    Coponius stellte
seinen Weinbecher ab und legte seine schlanken, gepflegten
Hände in den Schoß. »Wenn wir beide irgendwann
einmal sehr viel mehr Zeit haben, sollten wir über das Wort
»Gerechtigkeit« disputieren und sehen, ob wir zu einer
Definition kommen, mit der wir beide einverstanden sind. Doch
für den Moment nehme ich an, daß du die Wahrheit suchst,
um die Identität von Dios Mörder zu lüften. Ein
hinreichend klares und direktes Ansinnen - aber ich fürchte,
ich kann dir nicht helfen.«
    »Warum
nicht?«
    »Ich kann dir
nicht berichten, was ich nicht weiß.«
    »Vielleicht
weißt du mehr, als dir selbst bewußt
ist.«
    »Ein
Rätsel, Gordianus?«
    »Das Leben ist
voller Rätsel.«
    Coponius musterte mich
mit einem katzenartigen Blick. »Soweit ich weiß,
beziehen sich die Vorwürfe gegen Caelius auf die Angriffe auf
die ägyptische Gesandtschaft auf dem Weg nach Rom sowie auf
einen angeblichen Versuch, Dio im Haus von Lucceius zu ermorden.
Was in diesem Haus geschah, wird nicht einmal in der offiziellen
Anklageschrift genannt.«
    »Theoretisch
nicht. Die Anklage plant, sich auf die versuchte Vergiftung zu
konzentrieren und den eigentlichen Mord an Dio lediglich als
erhärtendes Indiz anzuführen.«
    »Dann kommst du
also von der Anklage.« Coponius lächelte mich kalt an.
»Nicht, daß du mich mißverstehst. Ich habe nichts
dagegen, daß du herkommst und Fragen stellst.
    Ich habe das alles
schon einmal durchgemacht, als Asicius angeklagt wurde. Aber es ist
nun einmal eine Tatsache, daß der oder die Mörder keine
Spuren hinterlassen haben, die sie hätten verraten
können. Die Anklage gegen Asicius gründete sich nicht auf
Beweise, sondern nur auf vage Vermutungen. Ja, Jedermann
weiß«, daß er irgendwie in die Sache verwickelt
war, genau wie Jedermann weiß«, daß König
Ptalemaios dahinter stecken muß, doch ein Beweis dafür
wurde nie erbracht, und in diesem Haus wirst du auch keinen
finden.«    
    »Trotzdem
wüßte ich gerne, was hier vorgefallen
ist.«
    Coponius nippte an
seinem Wein, bevor er mir wieder seinen Katzenblick zuwandte.
»Ich kannte Dio aus Alexandria«, sagte er
schließlich. »Vor ein paar Jahren haben mein Bruder und
ich eine Zeitlang dort gelebt. Gaius, wie immer der Praktische,
wollte die Funktionsweise des ägyptischen Getreidemarktes
unter finanziellen Aspekten studieren, während es mich zu den
Stufen der Bibliothek beim Serapis-Tempel zog, wo Philosophen genau
dieselben Dinge erörtern, über die wir eben sprachen -
Wahrheit, Gerechtigkeit, Rätselfragen. So habe ich Dio
kennengelernt.«
    »Genau wie
ich«, sagte ich.
    Coponius zog
überrascht eine Braue hoch. »Du kanntest Dio aus
Alexandria?«
    »Es war nur eine
kurze Zeit, und sie liegt sehr lange zurück. Ich war noch
recht jung. Meine Ausbildung bei Dio war vollkommen
informell.«
    Coponius begriff
sofort. »Ah, du warst einer dieser jungen Männer, die zu
arm sind, sich ein Studium zu leisten, und die auf den Stufen
herumlungern in der Hoffnung, die Aufmerksamkeit eines der
Philosophen zu wecken. Bettler der Weisheit, hat Dio sie immer
genannt.«
    »Etwas in der
Art.«
    »Solche
Anfänge sind nicht unehrenhaft. Je mehr man um die Weisheit
kämpfen muß, desto mehr Ehre liegt in ihrer Erlangung.
Meine Beziehung zu Dio war um einiges offizieller, nehme ich an.
Als ich ihn kennenlernte, war er bereits bis in die höchsten Ränge der
Akademie befördert worden und zeigte sich nur noch selten auf
der Treppe vor der Bibliothek. Ich habe ihn nur durch Zufall
getroffen und zu mehreren Abendgesellschaften eingeladen, die Gaius
und ich in unserem

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