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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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obwohl ich nicht weiß, was
ich hätte tun können.«
    »Dio war ein
gehetzter Mensch. Du mußt doch gewußt haben, daß
er in schrecklicher Gefahr schwebte.«
    »Natürlich.
Deswegen habe ich jede Nacht einen Wächter an der Tür
postiert. Trotzdem hätte ich nie gedacht, daß jemand
tatsächlich ins Haus eindringen und eine solche
Abscheulichkeit begehen würde. Es schien mir
undenkbar.«
    »Zeig mir, wo
das Undenkbare geschehen ist.«
    Coponius führte
mich durch einen langen Flur in den hinteren Teil des Hauses.
»Die Wache war in der Halle auf der Vorderseite postiert. Als
die Attentäter in Dios Zimmer eindrangen, hat er nichts
gehört. Ich selbst habe im Nebenzimmer geschlafen und
ebenfalls nichts gehört.«
    »Hat Dio
geschrien?«
    »Wenn ja, hat
ihn niemand gehört.«
    »Hättest du
ihn gehört?«
    »Ich habe, wie
gesagt, geschlafen, aber ich denke, ein Schrei hätte mich
aufgeweckt. Die Wände sind nicht besonders dick. An anderen
Abenden konnte ich hören, wie - nun ja, das tut nichts zur
Sache.«
    »Du wolltest
etwas sagen?«
    »Das ist das
Zimmer.« Coponius stieß die Tür auf und machte mir
ein Zeichen einzutreten.
    Es war ein kleiner
Raum, karg möbliert mit einem Schlafsofa, einem Stuhl und
einer Reihe kleiner Tische. Der Boden war von einem Teppich
bedeckt. An den Wänden waren Haken für Kleidung und
Lampen angebracht.
    »Wie sind die
Attentäter hereingekommen?«
    »Durch das
Fenster neben dem Sofa dort. Ich bin sicher, die Läden waren
geschlossen und verriegelt. Darauf hätte Dio schon wegen der
Kälte geachtet. Der Riegel ist repariert worden, aber man kann
noch erkennen, wo das Holz zersplittert ist, als die Läden
gewaltsam aufgebrochen wurden.«
    »War der alte
Riegel auch aus Bronze wie der hier?«
    »Es ist genau
derselbe Riegel, er wurde von einem Schmied glatt gehämmert
und leicht versetzt wieder angebracht.«
    »Sieht aus wie
ein ziemlich kräftiger Riegel. Ich glaube, wenn man ihn
gewaltsam von außen aufgebrochen hat, muß das einigen
Lärm gemacht haben.«
    »Vermutlich.«
    »Beträchtlichen
Lärm.«
    »So laut kann es
nicht gewesen sein -«
    »Vielleicht
nicht laut genug, um dich im Nebenzimmer zu wecken oder den
Wächter an der Vordertür zu alarmieren, aber doch
gewiß laut genug, um Dio zu wecken.«
    »Das sollte man
annehmen, ja. Aber wie ich schon sagte, niemand hat Dio schreien
gehört. Vermutlich hatte er einen sehr festen Schlaf. Oder das
Aufbrechen des Riegels hat nicht so viel Lärm gemacht, wie du
vermutest.«
    »Wir
könnten endlos weiter über die Frage diskutieren«,
sagte ich. »Oder sollen wir einen empirischen Versuch
unternehmen?«
    »Du meinst
-?«
    »Wenn du es
erlaubst.«
    Coponius zuckte die
Achseln. »Nur zu.«
    Ich entriegelte die
Fensterläden und trat auf den von einer hohen Mauer umgebenen Hof.
Coponius schloß die Läden wieder und verriegelte sie von
innen. Ich drückte dagegen, um den Widerstand zu testen, und
mußte feststellen, daß es einer beträchtlichen
Kraftanstrengung bedürfen würde, sie gewaltsam zu
öffnen. Ich sah mich um und entdeckte einen losen Stein. Ich
nahm ihn in die Hand und schlug damit heftig gegen die Läden.
Man hörte das Bersten von Holz, und die Läden flogen auf,
während das Schloß durch den Raum geschleudert wurde und
auf dem Teppich landete.
    Ich kletterte durch
das Fenster. »Ist das aufgebrochene Schloß auf dem
Fußboden gefunden worden?«
    »Ja, da bin ich
ganz sicher. Ich erinnere mich daran, weil ich mit nackten
Füßen darauf getreten bin und mich geschnitten
habe.«
    »Dann
können wir davon ausgehen, daß die Läden in jener
Nacht mit mindestens ebensoviel Wucht aufgebrochen wurden, was
ebensoviel Lärm verursacht haben muß. Ich würde
sagen, das reicht, um jeden, der in diesem Zimmer schläft, zu
wecken.«
    »Ja«,
stimmte Coponius mir zu und tippte nachdenklich mit dem Zeigefinger
auf seine Unterlippe.
    »Und trotzdem
hat Dio nicht geschrien.«
    »Vielleicht
wurde er aus tiefem Schlaf gerissen und begriff nicht, was vor sich
ging. Oder er begriff es nur zu gut und war gelähmt vor
Angst.«
    «Vielleicht. War
sein Kehle durchschnitten?«
    »Nein. Alle
Wunden waren auf seiner Brust.«
    »Wie
viele?«
    »Ganz genau
weiß ich es nicht.
Etliche.«   
    »Dann muß
er stark geblutet haben.«
    »Blut war auch
da, ja.«
    »Ein sich
wehrender Mann, der wiederholt in die Brust gestochen wird - das
ganze Zimmer muß voller Blut gewesen sein.«
    Coponius runzelte die
Stirn. »Als wir ins Zimmer kamen, war es

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