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Römischer Lorbeer

Römischer Lorbeer

Titel: Römischer Lorbeer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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verzeihen! Diese Befragung
beginnt mich zu ermüden -«
    »Aber irgendwann
begriff Philo, daß irgend etwas ganz und gar nicht
stimmte«, drängte ich weiter.
    »Ja. Als das
Gemurmel und Gepolter aufhörte, wurde es plötzlich zu
still. Immer wieder rief er Dios Namen - ich konnte ihn hören,
also hätte Dio ihn auch hören müssen. Ich hörte
auch, wie er an Dios verschlossene Tür hämmerte. Ich
stand auf und schickte Philo nach Verstärkung. Sie brachten
Fackeln mit, und gemeinsam gelang es ihnen, die Tür
aufzubrechen. Die Fensterläden waren aufgebrochen, und das
Zimmer war verwüstet…«
    »Und die
Sklavin?«
    »Wie sich
herausstellte, war sie gar nicht in Dios Zimmer, sondern in den
Schlafquartieren der Sklaven.«
    Ich trat ans Fenster
und blickte hinaus. »Wie sind die Attentäter
überhaupt auf die Terrasse gekommen? Sie ist von allen Seiten
von einer hohen Mauer umgeben.«
    »Sie müssen
drüber geklettert sein. Von vorne können sie wegen Philo
nicht gekommen sein, und beide Seitenmauern schließen mit dem
Haus ab. Die Mauer, die den kleinen Hof auf der Rückseite
begrenzt, verläuft parallel zu einer kleinen Gasse. Es gibt
ein Tor, aber das war sicher verschlossen. Sie müssen von der
Gasse über die Mauer geklettert sein.«
    Ich nickte. »Es
ist eine hohe Mauer - zu hoch, um sie ohne Hilfe zu erklimmen,
würde ich meinen.«
    »Willst du das
auch ausprobieren?« Coponius sah mich fragend an.
    »Nein, ich
denke, wir können von mindestens zwei Attentätern
ausgehen, die sich gegenseitig über die Mauer geholfen haben.
Haben die Nachbarn irgendwas bemerkt?«
    »Keiner der
Nachbarn kann den Hof hinter dem Haus einsehen. Die Gasse wird
praktisch nie benutzt. Ich bezweifle, daß irgendjemand etwas
hätte sehen können, es sei denn, er hätte
zufällig auf dem Dach gestanden, was in einer kühlen
Januarnacht höchst unwahrscheinlich ist. Außerdem
hätte man es mir erzählt, wenn jemand etwas gesehen
hätte. Ich verstehe mich gut mit meinen Nachbarn. Sie waren
alle ziemlich schockiert über den Mord.«
    Ich ging durchs Zimmer
und tippte beiläufig mit dem Finger an die Haken an der Wand.
»Die Sklavin war also nicht bei Dio, als der Mord
passierte?«
    »Wie gesagt, sie
war in den Schlafräumen des Gesindes.«
    »Könnte ich
mit ihr sprechen?«
    Coponius
schüttelte den Kopf. »Das ist nicht
möglich.«
    »Warum
nicht?«
    »Ich habe sie an
einen Sklavenhändler in der Stadt verkauft.«
    »Stimmte
irgendwas nicht mit ihr?«
    Coponius zögerte.
»Nachdem Dio sie benutzt hatte, war sie als Dienerin in
meinem Haus nicht mehr zu gebrauchen.«
    »Du meinst, sie
war verkrüppelt?«
    »Natürlich
nicht. Nur ein paar Striemen und Blutergüsse vielleicht, aber
nichts, was nicht mit der Zeit verschwinden würde. Vielleicht
ein oder zwei Narben, die man aber nur sehen konnte, wenn sie nackt
war. Trotzdem war sie beschädigte Ware. Ich konnte sie einfach
nicht länger im Haus behalten; es war viel besser, sie
weiterzureichen. Ich bin sicher, ein anderer Herr wird viel mehr
mit ihr anfangen können -vielleicht ist ihr
diesbezüglicher Wert durch Dios Erziehung sogar noch
gesteigert worden.« Er zuckte die Schultern. »Ich habe
das Mädchen nie als Lustsklavin angesehen, aber es muß
der Wille der Schicksalsgöttin gewesen sein.«
    »Oder der von
Dio.« Mein Mund war trocken.
    »Das Thema ist
mir unangenehm«, sagte Coponius. »Wie mich
überhaupt dieses ganze Gespräch schon seit einer Weile
ermüdet. Ich denke, du hast mittlerweile mehr erfahren, als du
wissen mußt.«
    »Jedenfalls
mehr, als ich erfahren wollte.«
    »Dann solltest
du vielleicht jetzt gehen. Ich rufe einen Sklaven, der dich
hinausgeleitet.« Er klatschte in die Hände.
    Der Sklave, der auf
das Zeichen hin kam, war erneut Philo, was Coponius jedoch nicht zu
bemerken schien. Seine Stimmung wurde auf einmal düster, und
er verabschiedete sich nicht förmlich von mir, sondern trat
ans Fenster und blickte in den Hof, während er
gedankenverloren mit dem neuerlich aufgebrochenen Riegel
spielte.
    In der Halle legte ich
die Hand auf Philos Schulter und zog ihn zur Seite. »Die
Sklavin, von der wir gesprochen haben -wie heißt
sie?«
    »Zotica. Aber
sie ist nicht mehr hier.«
    »Ich weiß.
Dein Herr hat sie an einen Händler verkauft. Du weißt
nicht zufällig, an welchen?«
    Der Sklave
zögerte und musterte mich. Er spähte in den Flur und biß
sich auf die Lippe. »Der Herr hat sie an den Mann am Ende der
Straße der Sichelmacher verkauft«, sagte er
schließlich.

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