Römischer Lorbeer
vielleicht könnte jemand nach Picenum reisen
und versuchen, bis zu ihnen vorzudringen. Selbst wenn sie selbst
nicht aussagen dürfen, können sie uns vielleicht zu
jemandem führen, der es kann.«
Eco öffnete halb
die Augen und sah mich von der Seite an. »Ich habe in den
nächsten paar Tagen keine dringenden Geschäfte, und es
ist immer nett, eine Weile aus Rom wegzukommen. Du mußt nur
ein Wort sagen, Papa.«
Ich lächelte und
nickte. »Schon möglich, daß ich das tue. Es
wäre wohl der nächste logische Schritt. Trotzdem geht mir
dieses Mädchen nicht aus dem Sinn.«
»Das
Mädchen?«
»Die Sklavin,
Zotica. Ich sollte mit ihr reden. Vielleicht weiß sie
etwas.«
»Ich bin sicher,
daß sie eine Menge weiß, Papa. Aber willst du das
wirklich hören?«
»Wie meinst du
das?«
Eco sah mich
verschlagen an und kniff zum Schutz gegen die blendende Sonne die
Augen zusammen. »Sag mir, Papa, willst du mit Zotica reden,
um herauszufinden, was sie über den Mord weiß,
vermutlich gar nichts - oder willst du mit ihr reden, um deine
eigene lüsterne Neugier wegen der Dinge zu befriedigen, die
Dio mit ihr gemacht hat?«
»Eco!«
»Wenn sie dir
erklären würde, daß die Behandlung, die sie von Dio
erfahren hat, nicht halb so brutal war, wie man dich hat glauben
lassen, wärst du doch erleichtert, oder etwa
nicht?«
Ich seufzte.
»Ja.«
»Und was, wenn
das Gegenteil herauskäme? Was, wenn die Dinge, die Dio ihr
angetan hat, so abstoßend sind, wie du fürchtest, oder sogar noch
schlimmer? Ich weiß, was du für Dio empfunden hast, Papa
- über seinen Tod und die Tatsache, daß er vorher zu dir
gekommen ist und dich um Hilfe gebeten hat. Aber ich weiß
auch, was du über Menschen denkst, die ihre Sklaven in dieser
Weise mißbrauchen.«
»Vielleicht hat
Coponius Dio verleumdet«, sagte ich.
»Es klingt mir
nicht danach. Laut deiner Schilderung hat Coponius nur höchst
widerwillig über Dios sexuelle Vorlieben geredet, eher
verlegen als verurteilend, so als ob er dir berichtet hätte,
Dio würde an Flatulenz leiden oder schnarchen. Und was ist mit
dem Sklaven Philo? Er hat dir die gleiche Geschichte
erzählt.«
»Sklaven
tratschen genauso gern wie ihre Herren.« Ich schüttelte
den Kopf. »Es gefällt mir nicht, daß meine
Erinnerung an Dio von Gerüchten getrübt
wird.«
»Und aus dem
Mund des Mädchens wären es keine Gerüchte, wie du es
nennst, mehr?«
»Du glaubst
also, ich will das Mädchen nur finden, um Gewißheit
über Dio zu bekommen?«
»Ist es nicht
so, Papa?« Sein mitfühlender Blick ließ mich auf
einmal selbst an meinen Modven zweifeln.
»Zum Teil schon.
Aber das ist nicht der einzige Grund«, beharrte ich.
»Da ist noch etwas anderes, etwas, was ich nicht genau
benennen kann.«
»Eine weitere
Eingebung der Göttin Kybele, die dich
weiterführt?«
»Ich meine es
ernst. Ich werde das Gefühl nicht los, daß diese Zotica
etwas weiß oder gemacht
hat…«
»Oder mit sich
hat machen lassen«, sagte Eco leise.
»Du hast gesagt,
ich könnte mich an dich wenden, wenn ich Hilfe brauche, Eco.
Ich möchte, daß du Folgendes tust: Suche den
Sklavenhändler am Ende der Straße der Sichelmacher auf
und finde heraus, was aus Zotica geworden ist.«
»Bist du sicher,
Papa? Mir scheint, die Zeit wäre besser genutzt mit dem
Versuch, Lucceius’ Küchensklaven zu kontaktieren. Denn
wenn ich das tun soll, müßte ich mich unverzüglich
auf den Weg machen. Nach Picenum brauche ich einen Tag, zurück
einen weiteren, plus die Zeit, die ich dort verbringe. Wenn der
Prozeß in vier Tagen beginnt -«
»Nein, finde
erst heraus, was mit dem Mädchen ist. Du kannst am Nachmittag
anfangen. Für heute ist es ohnehin zu spät, noch nach
Picenum aufzubrechen.«
Eco schüttelte
den Kopf über meine Sturheit. »Also gut, Papa. Ich werde
sehen, ob ich diese Zotica für dich auftreiben kann. Wenn ihre
Geschichte schrecklich genug ist, spart sie mir vielleicht die
Mühen einer Reise nach Picenum.«
»Wie meinst du
das?«
»Naja«,
setzte Eco an, doch dann wurde er plötzlich
unterbrochen.
»Wenn Dio so ein
böser Mensch war, warum machst du dir dann überhaupt die
Mühe herauszufinden, wer ihn ermordet hat?«
»Diana!«
Ich drehte mich um und sah meine Tochter im Türrahmen
stehen.
»Kann ich nicht
hier bei dir bleiben, Papa?« Sie kam auf mich zu und nahm
meine Hand. Ihr langes glattes Haar glänzte blau-schwarz in
der Sonne. »Mutter und Menenia reden bloß über die
Zwillinge, und die ärgern mich die ganze
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