Roemisches Roulette
bepackt mit meinen Kunstbüchern. Die hässlichen Leuchtstoffröhren an der Decke waren einer großen Kugel-Lampe gewichen, die nun ihr warmes Licht verströmte. An der gegenüberliegenden Wand stand ein antiker Künstlertisch aus Mahagoni mit verstellbarer Platte. Zwei der von mir kolorierten Fotografienwaren darauf festgeklemmt.
“Nick?” Mehr brachte ich nicht hervor.
“Gefällt es dir?” Er legte eine Hand auf den Tisch und strahlte mich an. “Das ist dein Zeichenraum. Es gehört alles dir.”
“Du hast das für mich gemacht?”
“Ja, natürlich. Ich habe mir ein paar Tage frei genommen und wie verrückt gearbeitet.” Mit einem breiten Grinsen sah er sich in dem Raum um. “Aber ich finde, es fehlen noch ein paar Kunstwerke. Zeig mir mal das Gemälde.”
Ich blickte nach unten und merkte, dass ich noch immer Robertos Leinwand in der linken Hand hielt. “Ach, ich glaube nicht, dass …”
Doch Nick hatte es mir bereits abgenommen und war dabei es auszupacken. “Das ist ja großartig. Mein Gott, die Frau sieht aus wie du. Wie heißt der Künstler?”
Ich erstarrte. “Ähm …”
Nick hielt das Bild direkt über dem Mahagonitisch an die Wand. “Perfekt. Was meinst du?”
Ich betrachtete meinen Ehemann, wie er breit lächelnd Robertos Gemälde in der Hand hielt. Warum hatte ich so vorschnell geurteilt? Warum war ich davon ausgegangen, dass er mich wieder betrog? Panik und Scham stiegen in mir auf und trieben mir die Tränen in die Augen.
Nicks Lächeln wurde schwächer. “Rach?”
“Das ist das schönste Zimmer, das ich je gesehen habe.”
Er sah erleichtert und glücklich aus. Dann legte er das Bild auf den Tisch und breitete die Arme aus.
Ich wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel und gab mich seiner innigen Umarmung hin.
6. KAPITEL
E in paar Monate nach meiner Italien-Reise hielten Nick und ich uns sonntags in meinem neuen Zimmer auf. Die Kugellampe tauchte den Raum in ein behagliches Licht, und die heiße Augustsonne schickte ihre Strahlen durch das einzige Fenster in unser kühles Reich. Nick hatte sich in einer Ecke in den Sessel gefläzt und um sich herum die Sonntagszeitungen ausgebreitet. Er liebte es, den Wirtschaftsteil der einen und dann den Literaturteil einer anderen Zeitung zu lesen. Er fand, Sonntage seien die einzigen Tage, an denen er unordentlich und launisch sein könne. Ich stand an meinem Zeichentisch und trug Lösungsmittel auf ein Schwarzweißfoto auf, um es für das Colorieren vorzubereiten. Es handelte sich um ein Bild des Michigansees mit der Skyline von Chicago im Hintergrund, das ich vom Diversey Beach aus aufgenommen hatte. Dies war nun schon mein dritter Versuch. Bisher waren mir die Blautöne des Himmels immer zu comicmäßig, das Blaugrün des Sees zu kräftig und die Stadt zu grau geraten.
“Bist du bereit für die Benefizveranstaltung?”, fragte ich Nick.
Ich liebte Nachmittage wie diesen, Gespräche wie dieses. Sie ließen mich vergessen, was ich in Rom getan, und dass ich es nie fertig gebracht hatte, es meinem Mann zu gestehen.
Nick lachte kläglich. “Die Druckerei hat die Programme noch nicht gedruckt, und ausgerechnet das liegt in meiner Verantwortung.”
“Na ja, du bist doch jetzt im Ausschuss”, neckte ich ihn. “Das musst du schon irgendwie deichseln.”
Endlich war Nick in den Förderkreis aufgenommen worden, doch im Wesentlichen war er nichts anderes als ein Novize in einer Bruderschaft: In der Hierarchie noch ganz unten und darum bemüht, ein ordentliches Mitglied zu werden. Natürlich wurde er mit all den langweiligen Aufgaben bedacht, die mit der Planung der Benefizveranstaltungen und Wohltätigkeitsbälle des Ausschusses so einhergingen.
“Wieso hast du bloß zugelassen, dass ich da eintrete?”
Einen feuchten Wattebausch in der Hand drehte ich mich um und grinste. Wir wussten beide, wie viel ihm diese Mitgliedschaft bedeutete. Er liebte das Ansehen, das er nun unter den Ärzten in seiner Praxis genoss, genauso wie die neuen Freunde, die seitdem in unser Leben getreten waren. Das Rampenlicht, in dem er aufgewachsen war, strahlte wieder – wenngleich etwas schwächer und vorerst nur zur Stellprobe. Wir beide mussten uns vor dem Ausschuss erst noch beweisen, und so erschienen wir zu mehr Abendessen, Cocktailpartys und verschwenderischen Benefizgalas als je zuvor, was mich schneller ermüdete als Nick. Der beschwerte sich nicht, sondern genoss jede Sekunde. Und ihn zufrieden zu sehen, machte wiederum mich glücklicher als
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