Roemisches Roulette
Hoffnung.”
Kit stieß leise verzweifelte Schluchzer aus. Die Hand hatte sie auf die Glaswand gelegt, als wolle sie ihre Mom berühren.
Ich zog sie an mich und drückte sie. “Ach, Süße, das tut mir leid. Verfügt der Ausschuss der Klinik nicht über einen Fond für Krebspatienten?”
Kit schüttelte knapp den Kopf. “Sie haben uns vor einem Jahr geholfen, als Mom operiert werden musste. Aber jetzt haben sie uns die Unterstützung verweigert.”
“Wieso?”
Sie zuckte die Achseln. “Ich schätze, es gibt pro Person ein gewisses Limit. Wir haben keinen Anspruch mehr.” Sie wandte mir das Gesicht zu. “Was soll ich jetzt bloß machen?”
“Kannst du nicht noch eine zweite Hypothek auf ihre Eigentumswohnung aufnehmen?”
“Es ist nur ein kleines Appartement, in dem sie zur Miete wohnt.”
“Ich könnte Nick bitten, beim Ausschuss ein gutes Wort einzulegen. Er ist doch jetzt Mitglied.”
“Tatsächlich? Das wusste ich nicht.”
“Na ja, ganz offiziell ist es noch nicht. Vorerst ist er nur außerordentliches Mitglied. Aber ich werde mit ihm sprechen. Vielleicht kann der Ausschuss euch ja noch einmal unter die Arme greifen.”
“Das dauert zu lange. Wir brauchen die Hilfe sofort.”
“Dann geben wir euch eben das Geld.”
“Das würdet ihr tun?”
“Natürlich. Darauf hätte ich auch gleich kommen können. Wie viel ist es denn?”
“Dreitausend Dollar.”
“Okay. Kein Problem.”
“Ich weiß, das ist eine Menge, aber …” Wieder sah sie mit schmerzverzerrter Miene zu ihrer Mutter.
“Ist schon in Ordnung. Ich spreche mit Nick, und dann …”
“Nein, nicht”, unterbrach sie mich. “Bitte sag Nick nichts davon.”
“Warum nicht?”
“Es ist mir unangenehm. Und meiner Mutter auch. Sie hasst es, Almosen anzunehmen. Bitte.”
Ich dachte über unsere Finanzen nach. Wir hatten ein gemeinsames Giro- und Sparkonto sowie gemeinsame Anlagen. Wenn ich davon Geld nähme, würde Nick es merken. Aber ich hatte auch noch eigene Ersparnisse aus der Zeit, bevor Nick und ich ein Paar waren.
Kit verbarg das Gesicht hinter den Händen, ihre Schultern zuckten. “Ich weiß einfach nicht, wie ich das alles durchstehen soll.”
Ich küsste sie auf den Scheitel. “Alles wird gut. Ich besorge dir das Geld. Ich spreche jetzt nur noch schnell mit deiner Mom, und dann treffen wir uns hier morgen früh wieder, ja?”
Sie hob den Kopf und umarmte mich stürmisch. “Du bist
wirklich
eine gute Freundin”, sagte sie in einer Weise, die implizierte, dass sie sich dessen wenige Momente zuvor nicht so sicher gewesen war.
Am Montagmorgen fuhr ich um sieben zur Arbeit. Das Büro war noch kühl und leer, und so konnte ich in Ruhe meine E-Mails lesen, mich bei den Anrufern vom Freitag zurückmelden und für den nächsten Tag einen Termin in einem Architekturbüro verabreden. Als meine Kollegen nach und nach eintrudelten, sah ich auf die Uhr. Um neun öffnete meine Bank, dann konnte ich das Geld holen, das Kit so dringend brauchte. Da ich es von einem Sparkonto abheben wollte, reichte ein Scheck allein nicht aus.
Um fünf vor neun stand mein Chef Laurence Connelly in der Tür. Sein Jackett hatte er bereits abgelegt, sonst trug er die für ihn typischen Hosenträger und eine zu stark glänzende, roséfarbene Krawatte – und heute noch dazu ein fieses Grinsen auf dem Gesicht. “Wie sieht’s aus, Blakely?”
“Alles in Ordnung.” Ich versuchte zu lächeln, doch seit ich ohne den “Rolan & Cavalli”-Etat aus Rom zurückgekehrt war, herrschte zwischen Laurence und mir eine eisige Atmosphäre. Jedes Mal wenn er mir mein Versagen unter die Nase rieb – was recht häufig vorkam –, wurde ich gleichzeitig auch an den zweiten großen Fehler erinnert, den ich in Rom begangen hatte.
“Wie war Ihr Wochenende?”, fragte ich.
Er ignorierte die höfliche Floskel. “Treffen Sie sich bald mit der Baxter Company?”
“Ja, morgen.”
“Sorgen Sie dafür, dass die unseren Dienstleistungsvertrag verlängern. Wir brauchen das Geld. Verstanden?” Was ich vor allem verstand, war die Botschaft zwischen den Zeilen:
Verkäufer, die nichts Bares an Land ziehen, können schnell gefeuert werden.
Allein im laufenden Jahr hatte er bereits vier Leute entlassen.
Um das Ende der Unterhaltung zu signalisieren, stand ich auf.
“Das weiß ich, Laurence. Deswegen fahre ich ja hin.”
“Und was ist mit Thompson & Sons?”
“Die rufe ich heute noch an.” Ich warf mir den Gurt meiner Handtasche über die Schulter und
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