Roemisches Roulette
alles andere.
Als ich mich wieder dem Foto zuwandte, fiel mein Blick auf Robertos Gemälde. Es prangte noch immer an der Stelle, wo Nick es aufgehängt hatte: direkt über meinem Tisch. Mein Magen zog sich kurz und heftig zusammen, wie jedes Mal, wenn ich es anschaute.
Ich hatte Nick erzählt, das Bild sei ein Andenken, woraus er geschlossen hatte, es sei ein Symbol für eine unvergessliche Zeit in Rom. Das sollte den von ihm gestalteten Raum unbedingt schmücken. Doch für mich war es vor allem ein Symbol für einen schwerwiegenden Fehler. Dass mein eigener Ehemann es dort aufgehängt hatte, quälte mich umso mehr.
Nur in äußerst rar gesäten Momenten, wenn ich es schaffte, das Schuldgefühl beiseite zu schieben, symbolisierte das Gemälde Sex, Selbstbewusstsein und Sehnsucht. Eben all das, was ich vor meinem Kurzurlaub seit langem nicht mehr gespürt hatte. Doch jetzt existierten diese Dinge zwischen Nick und mir wieder. Unser Liebesleben war so feurig wie nie zuvor, und die bösen Geister waren verschwunden. Es war, als hätte meine Nacht mit Roberto die Frau aus Napa in die Flucht geschlagen. Natürlich war ich mir bewusst, wie krank und falsch solch ein Gedanke war – welchen Charakter musste ein Mensch haben, der einen Seitensprung durch einen anderen ausradieren wollte? –, aber die Wirkung ließ sich nun mal nicht leugnen. Ich sah die Frau nicht mehr als Göttin an und fühlte mich auch nicht länger unsicher oder verletzt. Mir wurde klar, wie sehr ich diesen Mann, meinen Ehemann, liebte, und genau deshalb konnten wir wieder Vertrauen zueinander fassen.
“Nick”, sagte ich impulsiv.
“Ja, Liebes?”
“Ich möchte gern das Bild abhängen.”
“Das aus Rom?”
Ich nickte.
“Aber es passt doch perfekt hierher. Wieso denn?”
Ich starrte auf die roten Pinselstriche und die junge Frau in der Mitte, die mich darstellen sollte. Meine Kehle wurde trocken. “Es gefällt mir einfach nicht mehr.”
Nachdem Kit und ich aus Rom zurückgekehrt waren, hatte ich mir das Hirn darüber zermartert, ob ich Nick von Roberto erzählen sollte. Nick hatte mir seine Affäre zwar auch erst Monate später gestanden, aber immerhin
hatte
er sie mir gestanden. Er hatte genug Respekt vor mir, vor
uns
gehabt, um seine Sünden zu beichten. In den folgenden Wochen verstand ich, wie unglaublich schwer ihm das gefallen sein musste und schätzte ihn dafür umso mehr. Doch für mich kam das nicht in Frage. Nicht, weil ich etwa weniger Respekt vor ihm oder unserer Ehe hatte. Im Gegenteil: Ich verehrte ihn wieder – und ich war stolz auf uns und die Art, wie wir wieder miteinander umgingen. Wir hatten nur schon zu viel durchgemacht, ein weiterer Fehltritt hätte unsere Beziehung unwiderruflich zerstört.
Zwar klang es in meinen Ohren wie eine faule Ausrede. Doch zugleich war ich im tiefsten Innern dermaßen von der Richtigkeit meines Handelns überzeugt, dass ich lieber den Mund hielt. So wurde ein kleiner Winkel meines Herzens durch das Geheimnis vergiftet. Aber es war allein meine Schuld, und ich war bereit, die Konsequenzen zu tragen – ein Bild, das mich immer wieder daran erinnerte, brauchte ich dazu nicht.
“Und was hängen wir stattdessen auf?”, fragte Nick.
“Meine kolorierten Fotos. Ende nächster Woche bin ich mit diesem hier fertig. Diesmal klappt es bestimmt.”
“Raus mit dem Alten, rein mit dem Neuen?”
“Genau.” Wenn das Gemälde erst abgehängt wäre, könnte ich die Situation vielleicht besser verarbeiten. Vielleicht könnte ich mir dann sogar selbst verzeihen.
Als Nick sich aus dem Sessel erhob, raschelten die Zeitungen. “Dann helfe ich dir.”
Gemeinsam lehnten wir uns über den hohen Tisch, und jeder von uns fasste eine der unteren Bildecken. Behutsam hoben wir die Leinwand hoch und nahmen sie ab.
“Voilà”, meinte Nick.
“Danke.” Ich lächelte zufrieden. Jetzt sah die Wand wieder unbefleckt aus. Bereit für die Zukunft. Ich verstaute das Gemälde im Schrank.
Nick kam zu mir herüber und nahm mich in den Arm. Ich schmiegte mich eng an ihn, legte meine Arme um ihn und spürte meine Erregung. “Wollen wir nach oben gehen?”
Er stöhnte leise. “Unbedingt.”
Das Telefon klingelte. “Geh nicht dran.” Mit der Zunge fuhr ich seinen Hals entlang bis zum Ohrläppchen.
“Ich will nur sichergehen, dass es nicht die Praxis ist.” Nick schnappte sich das Telefon und sah aufs Display. “Kit”, meinte er.
Ich nahm seine Hand und führte ihn langsam nach oben. “Auf keinen Fall
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