Roemisches Roulette
mit Charles Renworth verheiratet, einem Mann, den ich bislang zwar nicht kennen gelernt hatte – aufgrund seiner Geschäftsreisen glänzte er meist durch Abwesenheit –, der jedoch überall dafür bekannt war, dass er die Hälfte der gewerblichen Immobilien des mittleren Westens besaß.
“Ja, das ist es auch”, erwiderte ich mit Blick auf Nick. “Mein großartiger Ehemann hat mir ein Künstleratelier in unserem Keller eingerichtet. Jetzt ist es das perfekte Haus.”
“Abgesehen von der Taxi-Situation”, ergänzte Nick. “Manchmal habe ich das Gefühl, eine Rakete ist schneller auf dem Mond als ein Taxi bei uns.”
Alles lachte. Ich warf Nick einen irritierten Blick zu. Wir sprachen sonst so gut wie nie negativ über unsere Wohngegend. Bloomingdale war wie ein Familienmitglied, dessen Schwächen unter keinen Umständen in der Öffentlichkeit diskutiert wurden.
“Und Sie arbeiten, richtig, Rachel?”, wollte Joanne wissen. Sie klang belustigt, als fände sie das Konzept Arbeit genauso entzückend wie den Anblick eines jungen Kätzchens.
Doch meine derzeitige Arbeitssituation war alles andere als entzückend. Baxter Company hatte den Dienstleistungsvertrag mit uns nicht verlängert, und Thompson & Sons meinten nur knapp, sie würden “darüber nachdenken” – eine Phrase, die in der Verkaufsbranche dem Todeskuss gleichkam.
“Ich beschäftige mich mit Architektur-Software”, erklärte ich der Runde, lenkte das Gespräch dann jedoch rasch auf Nicks Arbeit – ein Thema, das weitaus interessanter war als mein verhältnismäßig wenig ertragreicher und momentan stark gefährdeter Verkaufsjob.
Nick schenkte mir ein dankbares Lächeln. Wenigstens mein Ehemann glaubte, diese Runde ginge an mich.
Nachdem die Vorspeise abgeräumt war, entschuldigte ich mich und suchte die Toilette auf, bevor die nächste Runde diskreter Fragen auf uns abgeschossen werden konnte.
Im Badezimmer gab es eine winzige Feuerstelle, wo Joanne ein schillerndes Kerzenaufgebot arrangiert hatte. Das flackernde Licht war mir irgendwie unheimlich. Ich benutzte die Toilette, wusch mir die Hände und suchte dann in meiner Handtasche nach der Puderdose. Stattdessen fiel mir mein silbernes Handy ins Auge. Vor dem Essen hatte ich den Ton abgestellt, und nun stand auf dem Display:
3 Anrufe in Abwesenheit.
Ich rief meine Mailbox an. Der erste Anruf war von Kit. “He Rach, danke für deine Hilfe. Es geht ihr relativ gut.” Kit lachte kurz und kalt. “Jetzt ist die Rede von einer Knochenmarktransplantation oder noch einer Chemotherapie. Ich habe keine Ahnung, was als Nächstes passiert. Egal, ruf mich an.”
Ich seufzte. Arme Kit. Wann würde das Leiden für sie und ihre Mom endlich ein Ende nehmen? Ich hörte die nächste Nachricht ab. Wieder Kit. “Rachel, warum hast du mich nicht zurückgerufen? Feierst du schon wieder mit deinen neuen Freunden?” Von dem gemeinen Unterton in ihrer Stimme überrascht, sah ich erstaunt das Telefon an. Dann hielt ich es mir wieder ans Ohr. “Alain, dieser Hurensohn, hat mich auch nicht angerufen. Weder meine beste Freundin noch mein angeblicher Freund melden sich bei mir.”
Das war also der Grund. Sie war von Alains Verhalten enttäuscht. Fast hätte ich ihre Nummer gewählt, da entschloss ich mich, erst noch die dritte Nachricht abzuhören. Ein weiteres Mal Kit. Ihre Stimme klang bitter. “Rachel, ich hasse es, wenn man mich nicht zurückruft. Du rufst mich jetzt an. Jetzt. Sofort!”
Ihr eisiger, fordernder Tonfall machte mich wütend. Ich war auf einer Dinnerparty. Ich würde sie zurückrufen, wenn ich Zeit dazu hätte. Ich ließ das Telefon zuschnappen und steckte es in meine Tasche.
Zurück im Esszimmer servierten Kellner in schwarzen Jacken gerade den Hauptgang: einen fangfrischen weißen Fisch, den man sautiert hatte, bis er seine jetzige goldbraune Farbe bekam.
Nick gab mir einen diskreten Kuss auf die Wange. “Alles in Ordnung?”
“Alles bestens.” Ich aß einen Bissen von dem zarten Fisch.
“So, ihr zwei”, hörte ich von der anderen Seite des Tisches. Trevor, Joannes Ehemann, hatte das Wort ergriffen. Er war ein blonder Bär von einem Mann, der angeblich wenig anderes tat als Joannes Treuhandkonto zu plündern, das um einiges gewichtiger war als seins. Ich fragte mich, wie viel Scotch er im Laufe des Abends wohl schon getrunken hatte. “Wann springt ihr denn nun auf den Baby-Express auf, hm?” Er ahmte die Bewegung eines Lokführers nach, der die Zugpfeife betätigt. “Ihr
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