Roemisches Roulette
angeht.”
Ich schwieg.
“Mrs. Blakey, warum hätte das Verhältnis Ihres Mannes Ihre Freundin derart aufregen sollen?”
Ich dachte an Nicks Worte. “Kit war in letzter Zeit ein wenig neben der Spur.” Auch das war die Wahrheit, und ich schmückte sie noch weiter aus. “Ihre Mutter ist schwer krank, und sie war in den letzten Monaten nicht mehr sie selbst.”
“Was meinen Sie damit?”
“Der Umzug nach Chicago war schon sehr anstrengend für Kit, und dann musste sie sich auch noch um ihre Mutter kümmern. Sie hat sich einfach seltsam verhalten. Ich weiß nicht, wie ich das näher beschreiben soll.”
Sie hat mich erpresst. Sie ist in mein Haus eingebrochen. Sie hat in einem dunklen Kellerraum auf mich gewartet.
“Sie hat merkwürdige Dinge getan und gesagt und war in letzter Zeit ziemlich traurig. Der heutige Abend stellte da keine Ausnahme dar.”
Auf einmal musste ich an Kits Mom denken und spürte das Verlangen, für diese Frau zu weinen. Sie stand am Rande des Todes, und nun war ihre Tochter ihr vorausgeeilt. “Weiß Mrs. Kernaghan schon davon?”
“Wir haben vor einigen Stunden jemanden zu ihr nach Hause geschickt. Ich denke also ja.”
Hinter mir ging die Tür auf. Als ich mich umdrehte, sah ich einen grauhaarigen Mann mit gepflegter Kurzhaarfrisur, khakifarbener Hose und einem blauen Hemd, dessen Ärmel hochgekrempelt waren. “Mrs. Blakely?”, fragte er. “Rachel Blakely?”
Ich nickte.
“Ich bin Tom Severson. Ihr Mann hat mich beauftragt, Sie beide zu verteidigen.”
Tom Seversons Auftritt schien Detective Bacco ganz und gar nicht zu passen. Die Männer schüttelten sich die Hand.
“Wie geht es Ihnen, John?”, begrüßte Severson ihn. “Lange nicht gesehen.”
“Ja”, entgegnete Detective Bacco. “Zuletzt beim Muller-Fall.”
“Ich würde mit meiner Mandantin gern kurz allein sprechen, okay?”
Bacco zuckte die Achseln, als wollte er sagen, dass es alles andere als okay sei, er uns jedoch nicht daran hindern könne.
Tom Severson führte mich den Flur hinunter in eine ruhige Ecke.
“Schön, dass Sie hier sind”, bedankte ich mich.
“Keine Ursache. Das ist mein Job. Ich bin Strafverteidiger.”
Bei der Vorstellung, eine Kriminelle zu sein, die einen Verteidiger brauchte, zuckte ich zusammen. “Woher kennen Sie meinen Mann?”
“Gar nicht. Er hat Joanne Weatherby angerufen und die hat mich informiert.”
Ich versuchte ihm zu folgen. Mein Mann hatte sich in dieser heiklen Situation an Joanne Weatherby, die Präsidentin des Ausschusses gewandt? Na ja, vielleicht war es genau das Richtige gewesen. Tom Severson zumindest schien es nicht zu beeindrucken, dass seine neue Mandantin von einem Detective der Mordkommission vernommen wurde.
“Wo ist mein Mann jetzt?”, wollte ich wissen.
“Den Flur runter.”
“Kann ich ihn sehen?”
“Sicher. Bisher sind Sie keines Verbrechens angeklagt. Ich hole Sie beide hier raus.”
“Aber der Detective meinte, er hätte noch Fragen.”
Tom Severson schüttelte den Kopf. “Solange man Sie nicht angeklagt oder festgenommen hat, müssen Sie gar nichts sagen.”
“Ich will aber nicht erst angeklagt werden. Ich will kooperieren.”
“Vertrauen Sie mir. Mit den Jungs von der Polizei kann man nicht kooperieren. Am besten erzählen Sie mir, was Sie denen bislang gesagt haben.”
Ich schilderte Tom, was sich auf dem Balkon abgespielt hatte, und hielt mich dabei an die mit Nick abgesprochene Geschichte. Ich konnte nicht verhindern, dass immerfort zwei Fragen in meinem Kopf umherspukten: Hatte Nick dieselbe Version erzählt? Oder hatte er mich gebeten, das Ganze auf diese Weise darzustellen, während er es vollkommen anders beschrieb? Doch Tom Severson schien am Wahrheitsgehalt meiner Geschichte nicht im Geringsten zu zweifeln, und ich war erleichtert. Vielleicht war es ja auch tatsächlich so passiert. Zuletzt berichtete ich ihm detailliert, was ich auf die Fragen von Detective Bacco geantwortet hatte.
Dann gingen wir zurück zum Vernehmungszimmer.
“Detective”, sagte Tom, “es ist schon spät. Wenn Sie mir keinen Haftbefehl vorlegen können, bringe ich meine Mandantin jetzt nach Hause.”
Der Kommissar sah Tom unentschlossen an. Dann nickte er und sah mich so durchdringend an, als wollte er direkt in meinen Kopf schauen und ihn nach der Wahrheit durchforsten. In mir stieg die irreale Angst auf, er könnte es sogar schaffen. Ich bemühte mich, meine Gedanken zu verbergen, obwohl ich wusste, wie lächerlich das war.
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