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Roemisches Roulette

Roemisches Roulette

Titel: Roemisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Caldwell
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ich. War das alles, was ihn interessierte? Wie die Dinge nach außen hin wirkten? “Warum hast du sie gestoßen, Nick?”
    “Ich habe sie nicht gestoßen.” Er sprach jedes einzelne Wort überdeutlich aus. “Hör mir zu, Rachel. Du hast doch alles beobachtet. Sie kam von hinten auf mich zu und hat mich angegriffen. Sie hat mich geschubst und mir in den Unterleib getreten. Ich musste etwas machen. Ich habe mich nur gewehrt. Das hast du doch gesehen, oder?”
    “Du hast sie gewürgt.”
    “Aber erst, nachdem sie mich angegriffen hatte. Weißt du nicht mehr?”
    Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte das Gefühl, es wäre anders abgelaufen, doch jetzt war ich mir nicht mehr sicher. Sein Kampf mit Kit kam mir wie ein Traum vor. Bilder, an die man sich kurz nach dem Aufwachen genau erinnern konnte, die jedoch schnell verblassten.
    “Mein Gott, Kit”, stöhnte ich. Auf einmal war mir speiübel und ich schlug mir die Hand vor den Mund.
    Die Sirenen wurden lauter.
    “Warum warst du so wütend, Nick?”
    Für eine Sekunde verhärtete sich seine Miene. “Weil ich gerade erfahren habe, dass meine Frau fremdgegangen ist.”
    Ich spürte die Galle im Hals aufsteigen und schluckte sie herunter. “Es tut mir leid. Es tut mir ja so leid. Aber … ich habe dich noch nie so erlebt.”
    Nick schob meine Hand weg, die immer noch auf meinem Mund lag. Dann nahm er mein Gesicht zwischen seine Hände. Fast schien es, als wollte er mich küssen. “Rachel, hör mir zu. Kit hatte sich in der letzten Zeit sehr verändert. Das hast du selbst gesagt. Sie kam her und hat dich angegriffen, weil du trotz meiner Affäre bei mir geblieben bist.”
    “Es ging um
meine
Affäre”, warf ich ein.
    Er schüttelte den Kopf. “Weiß irgendjemand von der Sache in Rom?”
    “Nein, aber … Wir müssen die Polizei rufen, Nick.”
    “Ja, gleich.” Er holte tief Luft. “Erzähl niemandem von Rom, okay?”
    “Wieso nicht?”
    “Es würde so aussehen, als wärst du wütend auf Kit gewesen, weil sie von der Sache wusste und dich erpresst hat. Das würde dich nur verdächtig machen.”
    Aber du hast doch …
    “Hör zu”, setzte Nick erneut an. “Sag einfach aus, Kit wäre um deinetwillen wahnsinnig vor Wut gewesen. Weil
ich
ein Verhältnis hatte. Sie hat dich schon immer beschützen wollen. Sie war der Meinung, du solltest mich verlassen, und sie hat dich deswegen ordentlich ins Gebet genommen.”
    Ich musste daran denken, dass Kit der einzige Mensch gewesen war, der meine Entscheidung für meine Ehe verstanden hatte. Nicht andersherum. Dennoch war ich Nick dankbar dafür, dass er einen kühlen Kopf bewahrte. Außerdem wollte ich nicht, dass irgendwer sonst von Rom erfuhr.
    Ich nickte.
    “Ich höre, wie ihr euch streitet, und sage Kit, sie soll sich um ihren eigenen Kram kümmern”, fuhr er fort. “Sie und ich geraten ebenfalls in Streit und steigern uns in die Sache hinein. Kit hat sich auch vorher schon wie eine Verrückte aufgeführt, vermutlich weil ihre Mutter im Sterben liegt. Während unseres Streits geht sie plötzlich auf mich los und schlägt nach mir. Dann rammt sie mir das Knie in die Eier. Hast du das verstanden, Rachel?”
    Wieder nickte ich.
    “Nach ihrer Aktion mit dem Knie wehre ich mich. Ich schubse sie zu fest und sie fällt über das Geländer. So ist es passiert. Sie hat mich angegriffen und ich habe mich verteidigt.”
    Die Sirenen heulten. Wir blickten vom Balkon hinunter auf den Lake Shore Drive und sahen drei Polizeiwagen, die sich unserem Haus näherten.
    In meinem Kopf drehte sich alles. Tausend Gedanken wirbelten durcheinander:
Kit ist tot; Nick weiß von Rom; er hat sie gestoßen; nein, er hat sie erst gestoßen, nachdem sie ihn angegriffen hat; Kit ist tot; oh Gott.
    “Wir müssen mit der Polizei reden”, sagte Nick, nahm meine Hand und führte mich zur Wohnungstür. Mit der freien Hand griff er nach seinem Schlüsselbund und steckte ihn ein. Er führte mich ins Treppenhaus. Schweigend gingen wir zum Fahrstuhl. Auch während der Fahrt sprach keiner von uns ein Wort. Ich hörte meinen Herzschlag. Mein ganzer Körper bebte. Nick drückte meine Hand und ich erwiderte den Druck. Immerfort sah ich Kit vor mir, wie sie hinter dem Geländer verschwand. Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und wir traten hinaus in die Empfangshalle, die vom Sirenengeheul erfüllt war.
    Kits Haare waren wie ein Fächer auf dem Gehweg ausgebreitet. Ihre roten Lippen formten ein stummes O, die violetten Augen waren immer noch geöffnet.

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