Roemisches Roulette
Schließlich setzte ich eine Miene auf, die ich für freundlich hielt.
“Für heute können Sie gehen, Mrs. Blakely, aber ich möchte Sie gern noch mal befragen.”
“Warum?”, hakte Tom ein.
“Weil die Untersuchung dieses Falls noch nicht abgeschlossen ist.” Unverwandt blickte mir der Detective in die Augen. “Noch längst nicht.”
* * *
In unserer Wohnung brannte noch immer Licht. Als hätte eine Party stattgefunden, die der letzte Gast eben erst verlassen hatte. Nicks Schlüssel klapperten auf dem Tisch im Flur. Genauso wie ein paar Stunden zuvor. Doch jetzt war alles anders. Ich stand nur da und starrte durchs Wohnzimmer auf den Balkon. Unser Appartement war keine moderne Stadtwohnung mehr, sondern eine leere Hülle, in der sich etwas Schauriges zugetragen hatte. Unwillkürlich sehnte ich unser Haus in der Bloomingdale Avenue herbei, bis mir einfiel, dass ich auch daran schlechte Erinnerungen hatte. Ich dachte an die Monate vor meiner Romreise und wünschte mir, ich könnte die Zeit bis zu dem Moment zurückdrehen, als Nick mir seine Affäre gestanden hatte. Denn auch wenn es damals wehgetan hatte, so war dennoch alles gut gewesen. Wir hatten es nur nicht gewusst.
Nick stellte sich hinter mich und legte mir die Hände auf die Schultern.
Ich drehte mich zu ihm um. Seine sonst so wachen Augen blickten erschöpft drein, beinahe leblos. “Es tut mir so leid”, begann ich.
Er schüttelte den Kopf.
“Nick, wegen Rom …”
“Ich will nichts darüber hören.”
“Warum nicht?”
“Es spielt keine Rolle.” Seine Stimme klang tonlos.
“Natürlich spielt es eine Rolle. Alles ist nur meinetwegen passiert.” Ich vergrub den Kopf in seiner Brust. “Nick, du sollst wissen, dass es nur eine einzige Nacht war.”
“Bitte. Ich will darüber nichts hören.”
“Aber wieso? Ist es dir egal?”
“Natürlich nicht.” Er nahm meinen Kopf in die Hände. Sie fühlten sich riesig an, als würden sie mein Gesicht abschirmen. “Ich liebe dich, Rachel.” Er sagte diese Worte so inbrünstig, dass ich vor Erleichterung fast aufgeschluchzt hätte, und mir wurde klar, dass ich darauf gewartet hatte, seit Kit meine Sünden verraten hatte.
“Und”, fuhr er fort, “ich habe es nicht besser verdient.”
“Das stimmt nicht. Du hast deinen Fehler schon längst wieder gutgemacht. Und außerdem hast du mir deinen Seitensprung gebeichtet. Ich wollte es genauso machen, aber dann … Ich weiß auch nicht. Ich war wohl nicht sicher, ob wir das überstehen würden.”
Nick lächelte mich traurig an. Er zuckte die Schultern.
“Glaubst du, wir werden das hier überstehen?”, fragte ich.
Die Stille war erdrückend.
Nick hielt mich ganz fest. “Wir werden es schaffen, Rach. Wir sind doch ein Team.”
“Wenn wir ein Team sind, müssen wir aber auch dieselbe Geschichte erzählen. Wie du heute Abend gesagt hast, stimmt’s?”
Er sah zu mir herunter. “Natürlich. Hast du denen nicht gesagt, was passiert ist? So, wie wir es besprochen haben?”
Ich nickte und biss mir auf die Unterlippe. “Aber der Detective meinte, du hättest etwas anderes erzählt als ich.”
“Was?”, explodierte Nick. “Und was, bitte?”
Ich schüttelte den Kopf. “Das hat er mir nicht gesagt. Aber ich habe mich genau an unsere Abmachung gehalten.”
“Dann hast du die Wahrheit gesagt.”
Ich schwieg.
Nick atmete schwer und zog mich dann wieder in seine Arme. “Ich habe auch die Wahrheit gesagt. Dieser Detective ist ein Penner. Wir schaffen das schon. Wir werden denen zeigen, wie stark wir sind. Wir werden allen beweisen, dass nichts …”, er suchte nach den richtigen Worten, “… dass hier nichts Unrechtes geschehen ist.”
Den Kopf an seiner Brust, nickte ich. Doch irgendetwas an seinen Worten störte mich. “Wen meinst du mit
allen
, Nick?”
“Du weißt schon. Die Teilhaber an der Praxis …”
Ich wich einen Schritt zurück. “Nick, warum hast du vom Polizeirevier Joanne Weatherby angerufen? Ich meine, wenn du dir den Kopf darüber zerbrichst, was die Leute denken könnten, ist sie doch wohl die letzte Person, die erfahren sollte, dass du in einem Mordfall befragt wirst, oder?”
Das Wort
Mord
erschreckte uns beide. Ein wütender Ausdruck huschte über Nicks Gesicht.
“Tut mir leid”, entschuldigte ich mich, “aber du weißt, was ich meine. Warum hast du Joanne ins Spiel gebracht?”
Er atmete hörbar aus. “Weil sie es ohnehin erfahren hätte, und ich wusste, dass es besser ist, wenn sie zuerst meine
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