Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Roemisches Roulette

Roemisches Roulette

Titel: Roemisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Caldwell
Vom Netzwerk:
jetzt, da es vorbei war. Er hasse Napa. Er hasse das Restaurant, in dem er sie traf.
    An diesem Punkt des Gesprächs hob ich immer abwehrend meine Hand. “Bitte”, sagte ich dann und er verstand sofort. Obwohl ich ein klares Bild von ihr in meinem Kopf hatte, wollte ich keine Einzelheiten über diese Frau wissen. Ich wollte nichts über das Restaurant wissen, in dem sie gekellnert hatte, oder ob sie ein Kind aufzog oder ihre Schwester im Jahr zuvor gestorben war. Ich wollte nichts hören, was sie übermäßig vermenschlicht hätte.
    Ich blieb bei Nick, weil ich – im Gegensatz zu ihm – nichts Neues wollte. Ich wollte ihn, uns, eine Familie; eben alles, worin ich investiert hatte. Vor seiner Beichte hatten wir den ersten Nachwuchs fest eingeplant. Doch anstelle eines Babys bescherte uns Nicks Untreue einen Therapeuten: Robert Conan. Ein gutes halbes Jahr lang suchten wir ihn auf, zwei Mal pro Woche bis vor kurzem.
    Conan sagte mir, die Glorifizierung dieser Frau als Amazonen-Göttin sei “mit Sicherheit nicht gesund”. Doch für mich war es der einzige Weg, damit zurechtzukommen. Ich entschied mich bewusst, diese Frau als göttliches Wesen aus einer anderen Welt zu betrachten, das eines Tages Nicks Weg gekreuzt und ihn fünf Nächte lang auf Abwege geführt hatte, nur um unsere Welt dann wieder zu verlassen – hoffentlich geradewegs in den glühenden Vorhof der Hölle.
    Wie dem auch sei: Offiziell waren Nick und ich wieder zusammen, doch die ganze Angelegenheit machte mir noch immer schwer zu schaffen.
    “In einer Minute ist es genau wie früher”, erzählte ich Kit, “und in der nächsten macht einer von uns eine unbedachte Äußerung, und alles kommt wieder hoch.”
    “Und dann?”
    Ich knabberte an meinem Croissant. Obwohl es locker und buttrig war, bekam ich plötzlich keinen Bissen mehr hinunter. “Dann ist es ein einziger Albtraum.”
    Manchmal war ich bis über beide Ohren in Nick verliebt und stolz darauf, wie gut wir den Sturm überstanden hatten, der unser Leben verwüstet hatte. Und manchmal – wenn ich eine Flasche Wein aus der Region Napa aus dem Supermarkt-Regal nahm oder eine Fernsehsendung zum Thema Untreue sah – wütete in mir ein Orkan der Unsicherheit. Dann hasste ich Nick.
    “O Mann, es tut mir leid”, meinte Kit. “Was sind wir doch für ein trauriges Gespann.” Sie stellte ihre Tasse ab und umarmte mich quer über den Tisch.
    Ich erwiderte die Umarmung. Während der Highschool- und College-Zeit – und auch in meinen ersten Jahren in Chicago – war mein Leben stets durch die Augen meiner Freundinnen, besonders durch die von Kit, reflektiert worden. Als ich heiratete und Kit wegzog, dachte ich, ich bräuchte diese Art von Bestätigung nicht mehr. Doch nun tat mir die Anwesenheit einer Freundin überraschend gut. Eine ordentliche Portion Zusammenhalt war genau das, was ich brauchte.
    Über Kits Schulter sah ich, wie die Sonne über die Piazza wanderte und schließlich die graue Skulptur in ihrem Zentrum wärmte. Das Wasser aus dem Springbrunnen wusch die Figur unermüdlich und hielt sie sauber.
    Ich lehnte mich zurück und hob meine Tasse. “Einen Toast auf Italien. Und auf wundervolle Tage des Ausbrechens.”
    “Auf mordsmäßige Freundinnen!”, fügte Kit hinzu. Dann ließ sie einen begeisterten Jauchzer los, was die Blicke der anderen Gäste auf uns zog, und wir stießen mit unseren Cappuccini-Tassen an.
    Kit und ich gingen den ersten Tag gemächlich an. Auf der Via del Corso schlenderten wir von einem überfüllten Geschäft zum nächsten und erduldeten lachend die Verkäuferinnen, die mitleidig auf unsere amerikanische Kleidung schauten und einander fragten, ob wir uns die Röcke, die wir uns ansahen, überhaupt leisten konnten. (Sie wussten ja nicht, dass ich jedes ihrer Worte verstand.)
    Durch den Schlafmangel waren wir albern und überdreht, und außerdem waren wir in Italien! Nichts konnte uns die Laune verderben. Am Abend aßen wir in einem Lokal auf der Via Veneto, dessen rundliche Eigentümerin uns nur so umschwärmte und sich damit gänzlich von den Verkäuferinnen vom Nachmittag unterschied.
    “Esst, esst!”, wiederholte sie ständig. “Ihr seid ja nur Haut und Knochen.”
    Unaufhörlich tauchten neue Gerichte auf: Safranrisotto mit Blattgold oder roséfarbener Lachs mit grünen Dillsprenkeln. In derselben Frequenz wie das Essen kamen auch die Männer an unseren Tisch. “Schon vergeben”, murmelte ich wieder und wieder und streckte meine linke Hand in die

Weitere Kostenlose Bücher