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Roemisches Roulette

Roemisches Roulette

Titel: Roemisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Caldwell
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angekommen, wurde ich von zwei Wärterinnen in ein Zimmer gebracht. Anders als im Bus war es hier eiskalt. Mir wurden die Handschellen abgenommen, und ich nutzte die wiedergewonnene Freiheit, um mir ausgiebig die Kopfhaut und das Gesicht zu kratzen. Ich versuchte, mir die Haare aus den Augen zu streichen; es irgendwie zu bändigen.
    “Geben Sie sich keine Mühe”, sagte eine der Wärterinnen. “Sie dürfen eh bald duschen.”
    Ich nickte und war überrascht, wie glücklich einen die kleinsten Dinge doch machen konnten.
    “Ziehen Sie Ihre Kleidung aus”, befahl ihre Kollegin.
    “Was, hier vor allen Leuten?”
    “Tun Sie es einfach.”
    Ich zögerte.
    “Los, los”, drängte die Wärterin.
    Ich zog mich nackt aus und stand zitternd vor den Frauen.
    Eine von ihnen zeigte auf einen Tisch mit Gummiunterlage. “Beugen Sie sich über die Tischplatte”, wies sie mich an, “und spreizen Sie die Beine.”
    “Was?”
    “Sie haben mich schon verstanden.”
    “Warum?”
    “Wir müssen Sie untersuchen.”
    “Wieso?”
    Eine der Wärterinnen lachte höhnisch. “Sie können sich gar nicht vorstellen, was die Leute da so alles verstecken”, sagte sie und klopfte sich auf die Pobacke. “Wir werden hauptsächlich gucken, nicht anfassen.”
    Mir wurde übel, doch ich freute mich darüber. Hoffentlich war es die Morgenübelkeit, denn das würde bedeuten, dass das Baby die Nacht in der Zelle überlebt hatte.
    Ich drehte mich um und atmete durch den Mund, um so viel Sauerstoff wie möglich in meinen Körper zu pumpen.
Tu einfach, was sie sagen.
Mit vor der Brust verschränkten Armen beugte ich mich über den Tisch. Da, wo Arme und Oberkörper gegeneinander gepresst wurden, fühlte ich meine kalte Haut. Ich kniff die Augen zusammen und bereitete mich mental darauf vor, dass gleich ein Fremder in meine Intimsphäre eindringen würde. Ich hörte, wie sich hinter mir jemand Gummihandschuhe anzog. Zwei Hände berührten meine Pobacken und spreizten sie weit auseinander. Für einen kurzen Augenblick spürte ich einen Finger.
    “Sie ist sauber”, sagte eine der Frauen.
    Ich presste die Lippen zusammen, um nicht laut zu wimmern.
    “Stellen Sie sich wieder aufrecht hin”, befahl die andere. “Sie sind fertig.”
    Nach der Untersuchung wurde ich neben einen in den Linoleumboden eingelassenen Abfluss gelotst. Die Wärterin nahm einen dicken, schwarzen Schlauch von der Wand und richtete ohne Vorwarnung einen harten Wasserstrahl auf mich. Er peitschte mir gegen die Oberschenkel, die Knie, fuhr dann nach oben. Schützend legte ich die Hände auf meinen Bauch.
    “Umdrehen”, ordnete die Wärterin an. Sie sprach mit lauter Stimme, um das Wasserrauschen zu übertönen. “Und noch mal spreizen.”
    Mittlerweile war ich es gewohnt, Befehlen zu gehorchen, und so tat ich, was man mir sagte.
    Ich hatte stets gedacht, es wäre peinlich gewesen, als mich in der siebten Klasse zwei Jungen beim Pinkeln überrascht hatten. Ich dachte, Nick hätte mich mit seiner Affäre gedemütigt. Doch ich war ja so unwissend gewesen. Wahre Erniedrigung erfuhr ich erst jetzt.

19. KAPITEL
    A ls ich in den Gerichtssaal kam, war Nick schon da. Er trug dieselbe Kleidung, in der er am Tag zuvor in die Praxis gefahren war – schwarze Hose, schwarzer Blazer –, aber sein Gesicht war um Jahre gealtert.
    Wir wurden nebeneinander an einen Holztisch gesetzt. Tom Severson war bereits zugegen und blätterte einen Stapel Aktenordner und Papiere durch. Nick und ich sahen einander an, beugten uns vor und küssten uns.
    “Ich kann das gar nicht glauben …”, begann ich.
    “Ich auch nicht”, unterbrach mich Nick. “Aber lass uns nicht hier reden.”
    “Ja, gut.”
    “Ich liebe dich.”
    “Ich liebe dich auch.”
    “Geht es dem Baby gut?”
    “Ich glaube schon.”
    “Erheben Sie sich”, ertönte eine laute Stimme.
    Jeder in dem überfüllten Gerichtssaal sprang auf. Ich fragte mich, ob die Zuschauer unseretwegen hier waren, wegen unserer Geschichte. Doch dann verlas der Gerichtsdiener zehn Fälle, die gehört werden sollten. Unserer war der erste. Die Anwesenden setzten sich wieder. Verlegen blickte ich auf meine Trainingshose und das muffige T-Shirt, in dem alter Schweiß hing. Ich fühlte mich, als trüge ich diese Klamotten schon seit einer Ewigkeit.
    Eine Richterin betrat den Saal und ging die Stufen zu ihrem erhöht liegenden, mit Schnitzereien verzierten Richterstuhl hinauf. Sie war etwa fünfzig, hatte kurzes graublondes Haar und einen seltsamen

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