Ro'ha: Teil 1 - Vernichtung (German Edition)
die wichtigen Organe wie Lunge und Gehirn blieben immer mit Blut und Sauerstoff versorgt, auch wenn der Xhar beispielsweise einen Arm verlor. Er blieb bei Bewusstsein und konnte weiter handeln und sich versorgen – musste dafür aber in Kauf nehmen, dass, war das Muskelsystem ausgeblutet, auch alle anderen Systeme binnen kürzester Zeit versagen konnten.
Während sie langsam ihr Tempo steigerte sah Lillja zu, wie sich Cor und drei weitere Soldaten zu den Bodenmatten begaben und unter der Leitung eines irgendwie blass wirkenden Xhar Nahkampftechniken zu üben begannen. Scheinbar hatte sich Cor im letzten Moment noch gegen einen Aufbruch entschieden – sicherlich, um ein Auge auf Lillja haben zu können, falls es zu einem erneuten Zwischenfall kam. Was sie betraf, so hatte er in den vergangenen Tagen einen wirklich entwickelten Beschützerinstinkt an den Tag gelegt.
Während sie den Xhar bei ihrem Tun zusah, fiel ihr zum wiederholten Mal die bemerkenswerte physiologische Unterscheidbarkeit auf, die zwischen den kämpfenden Truppen und dem wissenschaftlich-technischen Personal zu erkennen war. Alle Soldaten waren durchweg größer, stärker und robuster gebaut, als ihre Kameraden. Die Unterschiede schienen eher genetischem als antrainierten Ursprungs zu sein, glaubte sie zu erkennen. Vielleicht mussten die Xhar besonderen äußeren Ansprüchen entsprechen, um eine Soldatenlaufbahn einschlagen zu können – oder es wurde auf medizinischem Wege nachgeholfen.
Das raue Lachen der Soldaten holte sie wieder aus ihren Gedanken. Sie blickte zu ihnen herüber und konnte dabei aus den Augenwinkeln sehen, dass die kleine Gruppe um den gefährlichen Techniker sie anstarrte. Lillja entschied sich, ihnen keine weitere Beachtung zu schenken.
Einer der Soldaten, Azarion Tiron, glaubte sie sich an seinen Namen zu erinnern, hatte Cor mit einer schwungvollen Bewegung auf die Matte geworfen und reichte ihm gerade freundschaftlich die Hand. Er wirkte auf unbestimmbare Art jünger als die anderen, hatte freundliche grüne Augen und einen fast teefarbenen Hautton. Der Niedergeworfene ließ sich helfen und klopfte dem anderen anerkennend auf die Schulter, als er wieder auf den Beinen war.
Die Gelegenheiten hier unten schienen die einzigen zu sein, zu welchen die Xhar auf den üblichen Höflichkeitsabstand verzichteten und einander wirklichen Kontakt erlaubten. Außerdem war es das erste Mal, dass Lillja diese Wesen lachen hörte.
Nach einer Weile begannen ihre Beine zu schmerzen und die Lungen zu brennen. Sie ließ das Band langsamer laufen und schaltete es ab, als sich ihr Herzschlag zu normalisieren begann. Mit einem Nicken in Richtung der Gruppe um Cor verabschiedete sie sich und machte sich auf den Weg zurück zu Ebene vier.
Man hatte ihr dort einen eigenen Waschraum eingerichtet, der über warmes Wasser und eine steuerbare Umweltkontrolleinheit verfügte. Die sanitären Anlagen sahen aus, als hätte man sie kurzerhand aus einer Schule oder einem Schwimmbad ausgebaut. Drei Duschkammern, die nach vorne offen waren, waren entlang der rechten Längswand aufgestellt und lagen gegenüber von drei metallenen Waschbecken, über welchen lange Ablageflächen angeschraubt waren. Außerdem verfügte der Duschraum über drei deckellose Toiletten, die gegenüber der Tür standen. Auf ästhetischer Ebene war der Raum wirklich nicht ansprechend, doch Lillja war froh, dass man sich solche Mühe für sie gemacht hatte und ihr einen halbwegs komfortablen Alltag ermöglichte.
In den Auffanglagern, in denen sie in den Wochen nach dem Angriff untergekommen war, hatte es nur eine Handvoll Dixitoiletten gegeben, die sie sich mit hunderten von Menschen hatte teilen müssen. An duschen war nicht zu denken gewesen, dafür gab es weder genug Wasser, noch die nötigen Anlagen. Wer genug Geld oder Waren zum Tauschen hatte, hatte sich in örtlichen Schwimmbädern oder bei willigen Familien ein paar Minuten unter einer Dusche erkaufen können, doch Lillja war keine dieser Menschen gewesen und nachdem der Stromausfall angehalten hatte, war auch der Druck in den Leitungen versiegt und sogar diese Optionen waren weggefallen. Lillja hatte weder ausreichend Bargeld bei sich gehabt, noch wertvolle Tauschobjekte – und von den Dingen, die sie bei sich gehabt hatte, hatte sie sich nicht trennen wollen. Der Beitritt zu den freiwilligen Truppen hatte eine Besserung der Lage versprochen – neben dem Versprechen, dass auch die Familie auf der Erde von diesem
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