Ro'ha: Teil 2 - Erwachen (German Edition)
hatte. Lillja schloss die Augen und atmete schwer aus.
"Wenn Sie dem Fluss nach Süden folgen", sagte sie schließlich und schob die Pistole zurück, "erreichen Sie ein Lager und Boote. Dort gibt es medizinische Vorräte und Wasser, Kleidung - alles Mögliche. Bleiben Sie aber nicht zu lange dort, es kann sein, dass wir auch dorthin zurückkehren."
Sie griff in ihre Tasche, zog beide Teile seines Kommunikators heraus und warf sie ihm kurz nacheinander zu.
Er starrte sie einen Herzschlag lang mit undeutsamen Gesicht an, dann stand er langsam auf und verharrte.
"Schießen Sie mir in den Rücken, wenn ich losgehe?", wollte er schließlich wissen.
"Nein. Ich habe Ihnen mein Wort gegeben, dass Sie gehen können - also gehen Sie."
Erneut schloss sie die Augen und fühlte, wie der warme Regen über ihr Gesicht lief. Der Wind hatte wieder zugenommen und vermischte die dicken Wassertropfen in einzelnen Böen zu einem grauen Schleier. Sie war in der kurzen Zeit bis auf die Haut durchnässt, doch es machte ihr nichts aus - im Gegenteil. Sie hatte das seltsame Gefühl, dass der Regen mehr, als nur den Schmutz abwusch, während er über ihren Körper lief, ganz so, als würde er bis zu ihrer Seele vordringen und sich auch dort langsam durch die Kruste aus Verlust, Leid und Schuld kämpfen.
"Es wird niemand erfahren", meinte der Daru und sie konnte hören, wie sich seine Schritte zögerlich entfernten.
Doch, das würde man, kam es ihr in den Sinn. Sobald sie wieder auf der Ro'ha waren, würde sie einen Bericht verfassen müssen und dabei würde sie nicht lügen. Sie hatte sich entschieden und würde die Verantwortung dafür tragen.
Irgendwann öffnete sie die Augen wieder und ließ ihren Blick langsam über die zerstörte Landschaft schweifen. Hinter sich konnte sie die Krater sehen, die bei den mehrfachen Detonationen entstanden waren und musste anerkennen, dass es tatsächlich wie ein Wunder war, dass sie überlebt hatte.
Sie schaltete den Kommunikator ein und lauschte ihren Kameraden, die sich über die Verwertung des Khunas unterhielten.
"H'Rega", ergriff sie schließlich das Wort, "ich bin auf dem Weg zu Ihnen. Wir sollten uns einen halbwegs sicheren Ort suchen. Wenn das Gewitter erst richtig losgeht, möchte ich nicht mitten im Wald sein."
Sie startete den Scanner und ließ sich den Kompass anzeigen, um schließlich der Nadel Richtung Osten zu folgen.
"Kommen Sie erst mal zurück, Winter." Er hörte sich schlecht an, sodass Lillja ihre Schritte beschleunigte.
Fernes Grollen kündigte die ersten Ausläufer des Sturms an und obgleich sie den Blitz durch die Bäume nicht gesehen hatte, stieg doch die Sorge in ihrem Inneren. Durch den Regen hatte sich das Moos in einen rutschigen Belag verwandelt, der unangenehm nachgab, sodass sie an manchen Stellen mehrere Zentimeter tief einsank und jedes Mal mit der Angst konfrontiert wurde, wieder einzustürzen.
Schließlich jedoch erreichte sie H'Rega, der noch immer gegen den Baumstamm gelehnt am Boden saß und ihr blass entgegensah.
"Wir gehen zurück in den Tunnel", sagte der Xhar bestimmt, ehe sie ihn auch nur ganz erreicht hatte und versuchte, sich an der umgestürzten Pflanze in die Höhe zu ziehen, sank jedoch stöhnend zurück. Sie half ihm und gemeinsam umrundeten sie das Hindernis.
Erneut rollte der Donner über den Wald, war diesmal jedoch etwas lauter und bedrohlicher.
Nur ein paar Meter vor ihnen lag der eingestürzte Teil eines Impulstunnels, der über eine steile Rampe aus Gesteinstrümmern und ausgerissenen Pflanzen erreicht werden konnte.
"Was macht Sie so sicher, dass nicht noch mehr einstürzt?", fragte sie, während sie langsam nach unten kletterten.
"Nichts, aber ich sehe keine andere Option."
Er stützte sich schwer auf sie, während sie sich langsam nach unten arbeiteten. Der Boden war rutschig und alles andere, als trittfest, doch nach quälenden Minuten erreichten sie den Boden des Tunnels und zogen sich ein paar Meter in sein Inneres zurück.
Lillja ließ den Xhar möglichst vorsichtig zu Boden sinken und sah sich misstrauisch um. Der Abschnitt war auf etwas mehr als zehn Metern erhalten geblieben, wobei sie beim besten Willen nicht sagen konnte, warum gerader dieser Teil noch intakt war. Sie waren hier unten vor dem Regen geschützt und sie ging auch nicht davon aus, dass der Tunnel volllaufen würde. Auch vor möglicherweise abbrechenden Ästen oder umfallenden Bäumen waren sie halbwegs sicher, dennoch gab es keinen für sie ersichtlichen
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