Rohypnol - Hutchinson, A: Rohypnol - Rohypnol
okay.«
»Was machst du bloß?«, schluchzt Ma.
»Nichts, Ma, tut mir leid.« Ich starre wieder Ian an. Der Wichser.
»Sag Ian, dass es dir leidtut«, schreit meine Mutter mich an, die Tränen laufen ihr jetzt übers Gesicht.
»Der Wichser.«
Da haut Ma mir gegen die Schulter. Mit zusammengebissenen Lippen, sie haut, so fest sie kann.
»Für dich tut es mir leid, Ma«, sage ich, lege ihr die Arme auf die Schultern und schau ihr in die Augen. Tränen strömen über ihre Wangen.
Dad steht hinter mir, er schaut mich an, weiß nicht, was er sagen soll. Onkel, Tanten, Cousinen, Großvater, alle starren mich an. Ma schluchzt noch lauter, packt mich am Hemd.
Der Familienversager.
»Ich muss hier weg, Ma.«
»Wohin?«, schluchzt sie, kaum fähig zu sprechen, Speichelfäden zwischen den Lippen.
»Tut mir leid, Ma, ich komm bald wieder nach Hause.«
Dad schaut mich an, als wolle er mit mir reden, sagt aber nichts.
»Tu mir leid«, sage ich auch zu ihm.
Ma hält meinen Arm fest, meine Hand, meine Finger, bis ich außer Reichweite bin.
Ich nehme den nächsten Zug zurück in die Stadt.
A m Bahnhof steht ein Typ rum, der mich anstarrt, als ich den Bahnsteig betrete. Ich frage mich, ob ich’s mit ihm aufnehmen kann, wenn er auf mich losgeht. Er ist vielleicht dreißig, kahlrasierter Schädel, Trainingshosen, in die er ein altes Nike-T-Shirt gesteckt hat, das Logo gebrochen, die Farben verblichen. Um den Hals ein dünnes Goldkettchen. Weiße Sneaker, die zu groß für seine dünnen Beine scheinen. Er checkt den Automaten nach Kleingeld, schiebt seine Finger in den Rückgabeschacht. Farbspritzer an seinen abgearbeiteten Händen. Der Typ lehnt sich gegen den Zaun und murmelt etwas in meine Richtung.
Die Ansage kommt: »Nächster Zug der vier Uhr fünfzehn Richtung Flinders Street.«
Der Zug fährt ein, ich gehe an ein paar Wagen entlang, so dass ich ins selbe Abteil einsteige wie der Trainingshosen-Typ. Er lächelt mir zu, als er mich einsteigen sieht. Lässt mich passieren. Okay, ich hätte auch den nächsten Wagen nehmen können. Aber scheiß auf den Wichser. Der Trainingshosen-Typ sagt was, das ich nicht verstehe, setzt sich neben die Tür.
Ich balle die Hände in der Jackentasche zur Faust, als ich an ihm vorbeigehe.
Und dann sehe ich da ganz hinten, wo die Suffkies hinpissen und hinkotzen, wo sich sonst niemand hinsetzt, Aleesa sitzen, den Kopf gegen die Stirnseite des Wagens gelehnt, hübsch zurechtgemacht, perfekt glatte Haare, sie schaut aus dem Fenster. Sie trägt ein kurzärmeliges Top, tief ausgeschnitten, so dass ihre Titten zur Geltung kommen, und einen kurzen Jeansrock. Knie zusammen, Hände im Schoß, eine weiße Handtasche auf dem Sitz neben ihr.
Als die Türen sich schließen und der Zug anfährt, gehe ich auf sie zu. Aleesa schaut in meine Richtung, lässt ihren Blick an mir auf und ab wandern, lächelt.
»Schau an, wen haben wir denn da«, sagt sie.
»Hi. Wir kennen uns, oder?«, frage ich lächelnd.
»Und wie läuft die Vergewaltiger-Nummer?«
Mir stockt für einen Moment der Atem, ich schaue mich um, ob jemand mitgehört hat.
»Hat keiner gehört«, sagt Aleesa. »Was machst du?«
»Nichts. Ich musste nach Hause. Paar Sachen holen.«
Aleesa nimmt ihre Tasche weg. »Du kannst dich neben mich setzen, aber wenn du anfängst mich zu langweilen, werde ich dich bitten müssen zu gehen.«
Ich setze mich neben sie, ganz dicht, unsere Beine berühren sich. Aleesa lächelt, schaut mich an.
»Stellst du mir nach?«
»Nein, ich hatte keine Ahnung, dass du in diesem Zug sitzt. Ich meine, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit? Wo willst du hin?«
»Zu meinem Freund.«
Das schmerzt mehr, als ich gedacht hätte.
»Du hast einen Freund?«
»Vielleicht.« Sie hält meinem Blick stand. Zarte Haut. Schwarzer Kajal, der mit ihren Augen zu verschmelzen scheint.
»Na, gerade hast du gesagt, du hättest einen.«
»Und schon fängst du an mich zu langweilen«, sagt sie, wendet sich ab und schaut aus dem Fenster, an dem die Vorstädte vorbeirauschen.
»Gehst du heute Abend aus?«, frage ich, doch Aleesa antwortet nicht, sondern schaut ostentativ in die andere Richtung. Ihre Lippen leuchten in der Sonne. Sie wirken glänzend, feucht.
»Es war schön, neulich Nacht mit dir zu ficken.«
Aleesa wendet sich mir zu, lächelt und lässt perfekte weiße Zähne blitzen.
»Echt?«, fragt sie und zieht die Augenbrauen hoch.
»Ja.«
»Das ist gut so«, sagt sie und tätschelt dabei meinen Oberschenkel.
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