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Roland Hassel - 07 - Wiedergänger

Roland Hassel - 07 - Wiedergänger

Titel: Roland Hassel - 07 - Wiedergänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olov Svedelid
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auftaucht, geht es ja immer um etwas Unangenehmes, und das schiebt man auf, solange es geht. Ich hatte keine Eile. Zu Hause wartete lediglich eine Tasche in einer Wohnung, der ich die Freundschaft aufgekündigt hatte.
    Der Mann auf dem Balkon begann plötzlich, kurze, gepreßte Laute auszustoßen. Die Tochter seufzte, trat auf den Balkon und faßte ihn unter. Er erhob sich zögernd, und sie bugsierte ihn in einen Sessel.
    »Ihm ist kalt geworden da draußen.«
    »Macht es viel Arbeit, sich um ihn zu kümmern?«
    »Allerdings. Eine solche Strafe habe ich nicht verdient. Aber was kann ich tun? Der Todesfelsen ist abgeschafft, und außerdem war er mir ein guter Vater. Ich lebe nicht noch einmal. Papa ist wie ein Mühlstein am Hals und eine Geißel auf dem Rücken.«
    »Es gibt doch aber Pflegeheime …«
    Sie schüttelte den Kopf, und erst jetzt merkte ich, wie abgekämpft sie sein mußte, obwohl ich sie ja vorher nicht gekannt und daher keine Vergleichsmöglichkeiten hatte.
    »Papa hat in einer anderen Gemeinde gewohnt, wo man es besonders eilig hatte, die Altersheime zu schließen. Es hieß ja damals, die Alten sollten lieber im Schoße der Familie wohnen und so weiter. Dabei ging es doch nur darum, Geld zu sparen. Wenn mich etwas wütend macht, dann, wenn wirtschaftliche und politische Schachzüge als humanitäre Gedanken verkauft werden.«
    Er quiekte wieder, und sie legte ihm einen Schal über die Schultern. Ein alter Mann mit Erinnerungen und Erfahrungen und Kenntnissen und Lebensweisheiten, ein Mann, der Liebe und Glück und Harmonie kennengelernt hatte, und nun war das alles in einen dunklen, tiefen Schacht des Bewußtseins gestürzt, und seine Augen drückten nur noch Leere aus.
    »Ja, und dann haben sie Papa in eine kleine Wohnung in einem Neubaugebiet gebracht. Dort saß er dann und glotzte die Wände an, und sein Hirn schmolz gleichsam hinweg. Was sollte ich tun? Ich holte ihn her, und damit war mein Leben zu Ende. Die Leute werden aufgrund der neuen Parolen aus den Alters- und Pflegeheimen geworfen, von Leuten, denen die sogenannten Wirtschaftsfachleute weisgemacht haben, daß dies in Ordnung sei. Dabei ist es die Hölle, für die Betroffenen wie für ihre Angehörigen.«
    Wieder gab der Alte ein paar Töne von sich, und sie gab ihm zu trinken. Durst ist ein elementares Empfinden, und das Öffnen des Mundes erfolgt automatisch, wenn eine Flüssigkeit die Lippen netzt. Er schluckte, aber das Wasser rann ihm aus den Mundwinkeln den Hals hinab.
    »Ich hoffe, er stirbt bald«, sagte sie und trocknete ihn ab. »Das ist doch kein Leben mehr für ihn.«
    Sie setzte sich wieder an den Kaffeetisch.
    »Karsten Lund hat bei dir gewohnt«, kam ich endlich zum Wesentlichen.
    Sie zögerte kurz und bekam einen sonderbar verträumten Ausdruck.
    »Ein Raum läßt sich abteilen. Er hat hier eine Weile gewohnt. Es war nämlich so, daß er … er brauchte keine Miete zu bezahlen.«
    Sie hatte also der Steuer die Mieteinnahmen verschwiegen. Was ging es mich an? Außerdem war ich nicht einmal sicher, ob das in ihrem Falle wirklich ungesetzlich war. Aber sie glaubte es jedenfalls.
    »Du hast ja wohl in der Zeitung gesehen, daß er ermordet wurde?«
    »Ich kann lesen.«
    »Wie gut kanntest du ihn?«
    »Wir haben uns ab und zu unterhalten. Als er hierher kam, war er gerade frisch geschieden. Er blieb ungefähr sechs Monate. Wie gesagt, ohne Miete zu bezahlen. Ich mochte ihn. Er munterte mich auf und war nett, ohne dabei schwächlich zu wirken. Dann bekam er diese Bude in Stockholm. Meiner Meinung nach hat er sich verschlechtert, aber er wollte es ja so.«
    »Bude? Bist du einmal dort gewesen?«
    Ihr Blick wurde unsicher, und sie murmelte: »Ich wollte sehen, wie es ihm ging. Es ist nicht leicht für einen Mann, allein klarzukommen, wenn er so lange verheiratet war. Das war ungefähr ein halbes Jahr, nachdem er von hier weggezogen ist.«
    »Hattet ihr zwischendurch Kontakt gehabt?«
    »Ich rief ihn manchmal an, und er hat sich jedesmal gefreut.«
    Nun sah ich klarer. Eins und eins sind immer noch zwei, außer für die Statistiker natürlich. Sie wäre also gern die neue Frau in seinem Leben geworden und hatte alle ihre Trümpfe ausgespielt. Sie gab nicht einmal auf, als er weggezogen war. Dafür mußte sie sich sicher nicht schämen. Wer will schon einsam leben?
    »Kannst du mir Hinweise geben, die für die Suche nach dem Täter wichtig sein könnten?«
    Das war eine Routinefrage, die ich stellte, ohne ein Ergebnis zu erwarten.

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