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Roland Hassel - 14 - Piraten

Roland Hassel - 14 - Piraten

Titel: Roland Hassel - 14 - Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olov Svedelid
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betonten die gespannte Haut seines Schädels.
    »Da kannst du aber Gift drauf nehmen!« fauchte ich.
    »Nein. Wir kennen Odler. Er hat uns eine Kopie seines Türschlüssels gegeben und uns erlaubt, in seiner Abwesenheit hier zu wohnen. Odler hat keine Ähnlichkeit mit dir.«
    »Wie heißt dein Odler mit Vornamen?«
    »Mark natürlich.«
    »Aha. Und ich bin Johnny Odler, Marks Bruder. Seemann wie er. Wir teilen uns die Bude hier. Wußtet ihr nicht, daß Mark einen Bruder hat?«
    Wieder flüsterte Eva ihm etwas ins Ohr, als verfügte sie über keine eigene Stimme und müßte durch seinen Mund sprechen. Ich merkte, daß er ein wenig unsicher wurde, und das verbesserte meine Lage. Die meisten Gespräche basieren auf einer Balance der Kräfte. Wie bei einer Wippe kann die Situation schnell umschlagen.
    »Doch, er hat ihn einmal erwähnt, aber …«
    »Schluß jetzt, verdammt noch mal! Falls ihr es noch nicht gehört habt, werde ich euch die Neuigkeit verkünden: Mein Bruder ist tot.«
    Die Nachricht traf sie hart, und sie schnappten nach Luft wie Goldfische in einem zu kleinen Aquarium. Während sie noch um Fassung rangen, öffnete ich die Tasche und steckte die Schachtel mit den Tabletten ein.
    »Wann … wann ist Mark gestorben?« stammelte Eva, die plötzlich wieder reden konnte.
    »Vor einer Weile. Es war ein Unglücksfall. Er hat euch in seinem Testament nicht erwähnt. Er hat mir auch nie etwas davon gesagt, daß hier ein paar Heroinsüchtige pennen dürfen.«
    »Pennen?«
    Wie doch die Zeit verging! Die Jugend von heute kannte nicht einmal mehr den Begriff »pennen« für »vorübergehend wohnen«. Dennoch begriff sie, was ich meinte.
    »Mark hat uns gemocht. Wollte uns eine Chance geben, wie er es nannte. Hadde und ich, wir wußten nicht wohin. Willst du uns rausschmeißen? Wir haben gerade ein paar Probleme …«
    Es war ihren Körpern anzusehen. Was sie brauchten, war ein Platz zum Schlafen und etwas zu essen, damit sie ihre geringen Kräfte sammeln konnten, um sich erneut in den Drogendschungel zu stürzen. Offenbar hatten sie die Verbindung zu ihren Familien abgebrochen oder umgekehrt, aber reif für die Klinik waren sie auch noch nicht. Im Zuge des allgemeinen Sozialabbaus, der unter der harmlosen Bezeichnung Reform vonstatten geht, ist die Anzahl der Behandlungsplätze auf ein Minimum reduziert worden. Pflegepersonal und Spezialisten, die sich um die Wiedereingliederung von Drogenabhängigen ins normale Leben kümmerten, beschäftigen sich jetzt mit anderen Dingen, zum Beispiel Arbeit suchen.
    »Warum hat er euch gemocht? Warum wollte er euch eine Chance geben?«
    Jetzt war ich es wieder, der das Verhör leitete, und diese Konstellation schmeckte mir eindeutig besser. Sie waren in die schwächere Position geraten und mußten sich, wie im alltäglichen Leben, bescheiden.
    »So schrecklich sind wir wohl nicht«, murmelte Eva tonlos.
    »Es ist ein Unterschied, ob man jemanden ›nicht schrecklich‹ findet oder ausgesprochen ›mag‹. Mark hatte nichts mit Drogen am Hut, also kann es nicht daran liegen.«
    Eva kuschelte sich noch enger an Hardy, der sie so vorsichtig im Arm hielt, als wäre sie aus Glas. Für ein sentimentales Gemüt mußte sich der Anblick der beiden pathetisch ausnehmen.
    »In Norsborg und anderen Vororten Stockholms gab es eine freiwillige Organisation, um solchen wie uns zu helfen«, erklärte Hardy. »Keine staatliche oder kommunale, sondern aus Leuten gebildet, die etwas tun wollten, ohne Bezahlung zu fordern. Das Ganze funktionierte nicht lange, aber dort trafen wir Mark. Er sagte, er würde an uns glauben.«
    »Da hat er sich getäuscht, oder?«
    »Mag sein«, erwiderte er. »Aber er wollte, und wir wollten. Obwohl es nicht geklappt hat.«
    Die Freiwilligen hatten schnell lernen müssen, daß Rauschgiftsüchtige wie Alkoholiker stets lügen und absolut unzuverlässig sind. Sie glauben selbst daran, wenn sie versichern, daß sie für immer aufhören wollen, doch die Sucht steckt in einem anderen Teil des Gehirns als die Vernunft und ist um ein Vielfaches stärker. Diese treuherzigen Helfer hatten sich unendlich viele Besserungsschwüre angehört und sich als barmherzige Samariter gefühlt, doch in der Welt der Drogen sind Samariter nur Trottel, die man melken kann.
    Dennoch gab es keinen Grund, an ihrer Geschichte über Mark zu zweifeln. Ihr Auftreten deutete darauf hin, daß sie sich tatsächlich mit Genehmigung in der Wohnung aufhielten. Meinetwegen konnten sie gern dort bleiben;

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