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Roland Hassel - 14 - Piraten

Roland Hassel - 14 - Piraten

Titel: Roland Hassel - 14 - Piraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olov Svedelid
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Kabinen. In einem leeren Frachtraum wurde mir der Dimensionen wegen ganz schwindlig. Es war ein Gefühl, als würde man in einer Kirche stehen.
    Ein etwas verspäteter Lunch beendete den anstrengenden Unterricht. Wir aßen in einer gewöhnlichen Kantine, und zu meiner Überraschung vertrug der verwöhnte Interpolmagen auch deftige Hausmannskost.
    »Hier am Kai mag es ja noch angehen, aber was ist, wenn auf hoher See die Winde blasen?« überlegte ich laut. »Auf Seemannsbeinen zu stehen, kann man nicht theoretisch erlernen.«
    »Was meinst du mit Seemannsbeinen?«
    »Na, zum Balance halten, nehme ich an. Eben die Beine von Seeleuten.«
    »Einen solchen Ausdruck gibt es nicht. Man könnte eher von einem Seemannskopf sprechen, denn da man nie weiß, wann das Schiff krängen wird, muß man allzeit bereit sein. Ein Seemann geht vorsichtig und breitbeinig und hält sich nach Möglichkeit fest. Wirst du seekrank?«
    »Woher soll ich das wissen?«
    »Manche bleiben verschont. Bist du ein guter Tänzer?«
    Die Erinnerung an einige peinliche Erlebnisse ließ mich erschaudern.
    »Feministinnen sprechen vom unterdrückten Geschlecht. Für meine Tanzpartnerinnen gilt das mit Sicherheit.«
    »Das Innenohr ist wie eine Wasserwaage. Menschen mit guter Balance, zum Beispiel Tänzer, werden leicht seekrank. Also hast du nichts zu befürchten.«
    »Erzähl mir jetzt von Johnny Odler.«
    Hiller legte Messer und Gabel beiseite und sah seltsam schuldbewußt aus.
    »Tja, eine Sache habe ich ganz vergessen zu erwähnen … es ist ein wenig unangenehm … ziemlich unangenehm sogar, wenn ich ehrlich sein soll …«
    »Meinst du, man könnte mich an Bord enttarnen und umbringen?«
    Er wich meinem Blick aus, räusperte sich und murmelte:
    »Viel schlimmer.«

6.
    Dann reichte er mir zwei Fotografien. Ein vergrößertes Paßbild, das offenbar schon einige Jahre alt war, und ein unscharfes Bild, das einen Mann zeigte, der in irgendeinem Hafen vor einem Schiff posierte. Auf dem Paßfoto schaute er ernst, auf dem anderen Bild schien er zu lächeln. Johnny Odler hatte eines jener neutralen Dutzendgesichter, denen gute Schauspieler Charakter und Leben zu geben verstehen. Irgendwie ähnelten wir einander durchaus, bis auf einen entscheidenden Unterschied: Sein Schädel war blank wie eine gewachste Billardkugel, und er trug einen dicken Schnauzbart!
    »Er ist kahlgeschoren!« rief ich entsetzt.
    »Mm.«
    »Aber, verdammt … er kann sich doch seit dem letzten Foto die Haare wachsen lassen haben?«
    »Es geht um die Glaubwürdigkeit. Die Aufnahme vor dem Schiff ist die einzige, die aus neuerer Zeit existiert; wir haben sie in Marks persönlichen Utensilien gefunden. Wer so viele Jahre kahlköpfig herumgelaufen ist, wird es auch in Zukunft tun.«
    Unbewußt strich ich mir übers Haar, mein schönes, dichtes Haar, das noch keinerlei Neigung zur Glatze erkennen ließ. Wir Hassels haben alle so gesundes, kräftiges, glänzendes Haar, bis ins hohe Alter hinein.
    »Ich werde unmöglich aussehen!«
    »Die Kraft sitzt nicht im Haar. Denk an Simson.«
    »Was redest du da? Gerade bei dem saß sie im Haar!«
    »Äh, ja, sicher, das stimmt. Okay, dann vergiß Simson. Außerdem wachsen sie nach. Und der Bart kommt von ganz allein. Laß uns von etwas anderem reden. Zum Beispiel über den restlichen Johnny. Du wirst alles, was wir über ihn haben, zu lesen bekommen, auch die Briefe. Er war keine besonders starke Persönlichkeit; du hast also eine Menge Spielraum.«
    Er wollte schnell von den Haaren ablenken, aber ich starrte weiter auf die Fotos. Die Glatze schien immer stärker zu leuchten, und ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich mit dieser Unfrisur aussehen sollte. Und was würde Elin sagen? »Mama, guck mal, der häßliche Onkel!«
    »Ehrlich gesagt finde ich nicht, daß ich unbedingt kahlköpfig herumlaufen muß. Er kann doch …«
    »Bist du fertig mit dem Essen?«
    »Ja, aber …«
    »Dann gehen wir zum Kai zurück. Wir schauen uns noch ein RoRo-Schiff an.«
    Ich stellte mir zunächst einen Kahn mit Doppelrudern vor, doch RoRo war kein Anfeuerungsruf, sondern bedeutete roll on, roll off; das heißt, man konnte mit der Fracht direkt in das Schiff hinein- und später wieder hinausfahren. Es ging Leitern hoch und runter und Korridore entlang; wir schauten in den Maschinenraum, in Kabinen und Messen. Aus jedem Spiegel blickte mir ein wohlfrisierter Hassel entgegen – wie lange noch? Lieber Gott, bald würde mich ein kahles Monster anstarren!
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